Vor der Oberbürgermeisterwahl im nordthüringischen Nordhausen hielt ich die Vergleiche mit Sonneberg im Süden des Bundeslandes, wo im Juni der AfD-Landrats-Kandidat im ersten Durchgang 46,7 Prozent der Stimmen erhielt, für überzogen.
Doch die Normalisierung der AfD ist viel weiter fortgeschritten, als ich bisher dachte: Der AfD-Kandidat für das Amt des Oberbürgermeisters in Nordhausen, Jörg Prophet, hat am 10. September im ersten Durchgang mehr als das Doppelte geholt: 42,1 Prozent. Amtsinhaber Kai Buchmann (parteilos) lag mit 23,7 Prozent deutlich hinter ihm. Ein erschreckendes Ergebnis. Am Sonntag findet nun die Stichwahl statt.
geschichtsrevisionist Nordhausen ist eine der wenigen Thüringer Städte, die eine israelische Partnerstadt haben. Und die Gedenkstätte KZ Mittelbau-Dora befindet sich fast am Rande der Stadt. Genau dort, in Nordhausen, zieht nun ein rechtsextremer Geschichtsrevisionist als Favorit in die Stichwahl ein. Zum 75. Jahrestag der Befreiung Nordhausens forderte er auf der Website der lokalen AfD ein Ende des »Schuldkults«. Auch aus diesem Grund hat die Gedenkstätte angekündigt, Prophet die Teilnahme an Gedenkveranstaltungen zu verwehren.
Die Fraktionen beschlossen gemeinsam mit der AfD ein Gesetz und ließen die Brandmauer gegen rechts verschwinden.
Ebenfalls in Thüringen haben vergangene Woche CDU und FDP im Landtag eine Brücke zur Normalisierung der AfD gebaut. Die Fraktionen beschlossen gemeinsam mit der AfD ein Gesetz und ließen die Brandmauer gegen rechts verschwinden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass CDU und FDP auch in Zukunft bei weiteren Gesetzen mit der AfD zusammenarbeiten. Das stärkt am Ende Leute wie Jörg Prophet; sie werden gefährlich normalisiert, demokratische Parteien geben ihnen Rückendeckung.
Nicht nur im Erfurter Landtag und in Nordhausen verstehen viele immer noch nicht, dass es um weit mehr geht als um ein Gesetz zur Grunderwerbsteuersenkung oder um Radwege, die Jörg Prophet bauen will. Es geht um die Demokratie!
Der Autor ist Stadtratsmitglied in Mühlhausen und Schatzmeister der SPD Thüringen.