Einspruch

Teil der Erinnerungskultur

Alexander Friedman Foto: privat

Seit einigen Wochen greift Russland gezielt die ukrainische Energie-Infrastruktur an. Der Kreml setzt auf Kälte, Stromausfälle und die Verschlechterung der Versorgungslage, um den ukrainischen Widerstandswillen zu brechen.

Die Angriffe finden in einer Zeit statt, da sich der Holodomor zum 90. Mal jährt. Die verheerende, durch die stalinistische Zwangskollektivierungspolitik verursachte Hungerkatastrophe 1932/1933 forderte in der Ukraine mindestens vier Millionen Opfer. Putins Krieg gilt in der Ukraine als Vernichtungskrieg und als eine Fortsetzung des Holodomor.

völkermord In der Ukraine wird der Holodomor als Völkermord am ukrainischen Volk wahrgenommen. Obschon die grausamen Verbrechen des stalinistischen Regimes offenkundig sind, gibt es unter Historikern weiterhin keinen Konsens über die Völkermord-These.

Trotzdem wurde der Holodomor inzwischen von mehreren, vor allem westlichen Staaten als Völkermord anerkannt. Israel distanziert sich hingegen von der Völkermord-These, und Moskau lehnt diese grundsätzlich als Verleumdung und Geschichtsfälschung ab.

Und Deutschland? Das Land, das die Aufarbeitung des Holocaust und weiterer NS-Verbrechen als Staatsräson betrachtet? Bereits im Falle des erst 2016 offiziell anerkannten Armenier-Genozids hat sich Berlin viel Zeit gelassen, da man die ohnehin komplizierten Beziehungen mit der Türkei nicht weiter belasten wollte.

befindlichkeiten Im Falle des Holodomor war die Lage noch komplizierter: Erstens ist die Völkermord-These kontrovers; zweitens nahm man Rücksicht auf russische Befindlichkeiten.

So wie Anerkennung des Armenier-Genozids in erster Linie eine politische Entscheidung war, ist die aktuelle deutsche Diskussion über den Holodomor primär politisch und wird vom dramatischen Krieg in der Ukraine geprägt. In der Presse wird über den Holodomor geschrieben, der Bundestag nimmt sich des Themas an. Der Holodomor wird zu einem Teil der deutschen Erinnerungskultur werden.

Der Autor ist Historiker in Düsseldorf.

Kommentar

Shiri, mein Herz bricht für dich

Sarah Cohen-Fantl will nicht verzeihen, dass Shiri, Kfir und Ariel Bibas nicht gerettet wurden

von Sarah Cohen-Fantl  21.02.2025

Katrin Richter

Demokratie statt Lethargie

Wer nicht wählt, muss mit dem leben, was dann dabei herauskommt

von Katrin Richter  21.02.2025

Igor Mitchnik

Europa muss sich hinter die Ukraine stellen

Trump denkt nicht transatlantisch, sondern transaktional

von Igor Mitchnik  20.02.2025

Meinung

Kennen Sie Abed Hassan?

Vieles, was der Berliner sagt, ist bedenklich nah dran an Hamas-Propaganda.

von Susanne Stephan  19.02.2025

Glosse

Ein Hoch auf die Israelkritik

Der »Spiegel« hat mit dem indischen Essayisten Pankaj Mishra ein »erhellendes« Interview zum Nahostkonflikt geführt

von Michael Thaidigsmann  18.02.2025

Meinung

Wie das Ende eines Alptraums, der fünf Jahre gedauert hätte

Alon Ishay ist erleichtert, dass die Koalitionsgespräche der FPÖ vorerst gescheitert sind

von Alon Ishay  17.02.2025

Meinung

Was »Sensibilität« bei der Berlinale bedeutet

Das Film-Festival hat eigens FAQ zum Nahostkonflikt veröffentlicht und distanziert sich darin gleich von der Antisemitismus-Resolution des Bundestages

von Maria Ossowski  20.02.2025 Aktualisiert

Einspruch!

Holt sie aus der Hölle raus

Sabine Brandes fordert, alles dafür zu tun, um auch die letzten verbliebenen Geiseln zu retten

von Sabine Brandes  13.02.2025

Meinung

Kanye West und der grassierende Antisemitismus in den USA

Die neuesten judenfeindlichen Eskapaden des Rapstars sind symptomatisch für eine bedrohliche Diskursverschiebung, die von Donald Trump und Elon Musk befeuert wird

von Ruben Gerczikow  10.02.2025