Lektion gelernt, könnte man meinen. Vor mehr als zwei Wochen hatte die Tagesschau über einen mutmaßlichen israelischen Raketenangriff auf ein Krankenhaus in Gaza berichtet, bei dem mehrere hundert Menschen zu Tode gekommen seien – nur um kurz danach wieder zurückzurudern, weil man ungeprüft eine Meldung übernommen hatte, die ursprünglich aus dem Gesundheitsministerium der Hamas stammte, sich aber rasch als Propagandalüge herausstellen sollte.
Seither will man vorsichtiger sein. »Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Stellen der palästinensischen und der israelischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden«, heißt es beispielsweise im Liveblog von tagesschau.de zu den Geschehnissen in Israel, dem Westjordanland oder dem Gazastreifen.
Das ist sehr lobenswert. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser – diese alte Regel sollte selbstverständlich auch im Journalismus gelten. Faktenchecks können nie schaden. Doch dann liest man unter der Überschrift: »Neun israelische Soldaten bei Kämpfen getötet« folgendes: »Bei Kämpfen gegen die Hamas sind nach Angaben der israelischen Armee neun ihrer Soldaten im Gazastreifen getötet worden. Zwei Soldaten seien schwer verletzt worden. Damit erhöhte sich die Zahl der seit dem 7. Oktober getöteten israelischen Soldaten den Angaben zufolge auf 326. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.«
Journalistische Sorgfalt kommt hier einer Äquidistanz gleich, die hochproblematisch ist. Zum einen existieren ganz reale 326 Gräber von Soldatinnen und Soldaten. Man kann sie sogar alle besuchen, die Zahl lässt sich also durchaus »unabhängig überprüfen«. Warum also dieser Zusatz? Zum anderen schwingt in dieser vermeintlichen Neutralität aber auch die Unterstellung mit, dass den Angaben der israelischen Armee zu ihren Gefallenen ebenso wenig zu trauen sei wie denen der Hamas – einer Terrororganisation, die zurecht von tagesschau.de und anderen Medien mittlerweile immer öfter auch als solche bezeichnet wird.
Offensichtlich will man einfach nur hyperneutral sein und so superkorrekt im Ausdruck wie möglich. Das ist nicht nur moralisch suspekt, weil als Resultat hier eine Demokratie mit einer Terrormiliz gleichstellt wird, sondern kippt das Ganze dann auch ins Absurde wie beim Instagram-Auftritt der Tagesschau. »Nach Angaben des israelischen Militärs hatten Terrorist:innen versucht, über Tunnel von der Küste aus in den Süden des Landes zu gelangen.«
Das wirft Fragen auf, liebe Tagesschau, und zwar: Wie genderfluid oder queer-feministisch sind die Mörderbanden der Hamas tatsächlich?
Der Autor ist Historiker und Publizist in Berlin.