In Deutschland suchte die NSDAP nach Hitlers gescheitertem Bierhallenputsch 1923 eine neue Strategie. Man täuscht ein demokratisches Verständnis vor, um die Demokratie als Sprungbrett zu nutzen. In Österreich scheint sich dieses Vorgehen derzeit an Walter Rosenkranz beobachten zu lassen, dem neuen Nationalratspräsidenten von der FPÖ.
Er hält trotz scharfer Kritik am Vorsitz des Nationalfonds für Opfer des Nationalsozialismus fest, der NS-Opfer entschädigt und sich um die Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe im Land kümmert. Der Nationalratspräsident ist Vorsitzender des Nationalfonds, so sieht es das Gesetz vor. Er halte das Gesetz ein, so Rosenkranz – »Gesetz ist Gesetz«. Was für ein Demokrat, mag man sich da denken.
Er hält sich Hintertüren offen, um der Konfrontation mit der jüdischen Gemeinschaft zu entfliehen.
Doch er hält sich Hintertüren offen, um der Konfrontation mit der jüdischen Gemeinschaft zu entfliehen: Im Krankheitsfall könne er sich bei den Sitzungen des Kuratoriums vertreten lassen. Wie er letztlich vorgehen werde, hänge auch von seinem Terminkalender ab, so Rosenkranz, doch grundsätzlich habe er vor, »diese Sitzung, für die ich vom Gesetz vorgesehen bin«, zu leiten.
Die Israelitische Kultusgemeinde (IKG), der Bundesverband der jüdischen Gemeinden im Land mit IKG-Präsident Oskar Deutsch an der Spitze, sowie alle jüdischen Organisationen, Rabbiner und Führungspersonen weigern sich, an Sitzungen teilzunehmen, bei denen Rosenkranz den Vorsitz hat. Und das ist richtig so.
Wer wie Rosenkranz behauptet, der universitäre Antisemitismus während der Zeit des Nationalsozialismus sei eine Reaktion auf die überdurchschnittlich hohe Präsenz jüdischer Studenten gewesen, und sich von dieser Aussage nicht glaubhaft distanziert, mag jedes Gesetz einhalten, das er will – aber für uns Juden hat es einen fahlen Beigeschmack von Unehrlichkeit und Anbiederung. Und den Geruch eines Wolfs im Schafspelz.
Der Autor ist Historiker in Wien und Tel Aviv.