Der »Wall Street Journal«-Reporter Evan Gershkovich wurde vor über zwei Monaten während einer Arbeitsreise in Russland verhaftet und ist seitdem unter fadenscheinigen Spionagevorwürfen inhaftiert. Als Journalistin und Jüdin bin ich mir der prekären Lage, in der sich Gershkovich befindet, sehr bewusst.
Ich sorge mich um die Sicherheit eines jüdischen Journalistenkollegen in Zeiten des weltweit zunehmenden Antisemitismus. Und ich frage mich, was seine Inhaftierung für all jene Journalisten bedeutet, die überall auf der Welt unter sehr schwierigen Bedingungen die Wahrheit herausfinden.
Nach Angaben von »Reporter ohne Grenzen« sind derzeit weltweit 536 Journalisten inhaftiert.
Ich habe in den vergangenen Jahren viel zu oft diese mitfühlende Angst verspürt. Es war eine große Erleichterung, als der deutsche Journalist Deniz Yücel 2018 aus einem türkischen Gefängnis freigelassen wurde. Andere hatten nicht so viel Glück. Etwa der ermordete saudische Journalist Jamal Ahmad Khashoggi, sein amerikanischer Kollege Daniel Pearl, den dasselbe Schicksal ereilte, sowie zahllose weitere »verschwundene« Journalisten – all die Reporter, die zum Schweigen gebracht wurden, obwohl sie nur versuchten, uns zu berichten, was vor Ort passiert.
Mut Auch ich habe über Russlands Krieg gegen die Ukraine berichtet, bin selbst aber nur bis zur Grenze gefahren – und nicht darüber hinaus. Ich bin nicht so mutig, und ich glaube, dass ich außerhalb einer Gefängniszelle mehr Gutes tun kann. Aber ich bin all denen dankbar, die jeden Tag so viel riskieren, um uns zu informieren.
Nach Angaben von »Reporter ohne Grenzen« sind derzeit weltweit 536 Journalisten inhaftiert. Auf dem Pressefreiheitsindex der Organisation rangiert Russland auf Platz 155 von 180. Wo Reporter zum Schweigen gebracht werden, sind auch alle anderen Freiheiten in Gefahr. Die Verhaftung des Boten gibt Aufschluss über den Kerkermeister. Ich schließe mich denen an, die fordern, dass Russland die jüngste Geisel seiner ideologischen Kampagne freilässt. Und das sollten wir alle tun.
Die Autorin ist Deutschland-Korrespondentin der Jewish Telegraphic Agency (JTA).