Es ist gerade einmal vier Jahre und ein paar Monate her, dass ein Anschlag auf die Synagoge in Halle missglückte. Die Tür zur Synagoge verhinderte Schlimmeres, doch unbeteiligte Menschen mussten ihr Leben lassen. Auch in Oldenburg war es die Tür zur Synagoge, die dem Angriff am vergangenen Freitag – einem Molotowcocktail – trotzte. Auch dank der Hilfe mutiger Nachbarn.
Der materielle Schaden ist zwar gering, aber der Schaden, den der Anschlag dem Sicherheitsgefühl der Oldenburger Juden zugefügt hat, ist es nicht. Können sie noch in die Synagoge, zur Sonntagsschule oder zum Gemeindebüro gehen, ohne Sorge vor einem weiteren Attentat zu haben? Ohne sich misstrauisch umzusehen, ob da nicht ein Verdächtiger steht? Ich bin kein ängstlicher Mensch, aber nach dem Anschlag stellte ich mir weit Schrecklicheres vor. Wenige Tage zuvor fand in Hannover die Jewrovision statt, mit 1200 unserer Kinder, dem Wertvollsten, was wir haben. Bewacht von Hundertschaften der Polizei, vom Staats- und Personenschutz und von vielen zivilen Wachleuten. Für unsere Kinder fast schon Normalität. Aber ist es das wirklich?
Am Freitag werde ich mit Ministerpräsident Stephan Weil den Gottesdienst in Oldenburg besuchen. Sicher wird er zu den Gemeindemitgliedern beim anschließenden Kiddusch sprechen, versuchen, sie zu beruhigen, versuchen, ihnen die Angst vor zukünftigen Straftaten zu nehmen. Er wird ihnen sagen, dass die Landesregierung jeglichem Antisemitismus entschieden entgegentreten wird, aber den Satz »In Niedersachsen ist kein Platz für Antisemitismus« wird er hoffentlich nicht gebrauchen, denn Antisemitismus und Gleichgültigkeit haben wir derzeit mehr als genug: in den Großstädten wie auf dem Land, in den Köpfen von Arbeitern und Akademikern und leider auch vermehrt im Journalismus.
Die größte niedersächsische Zeitung hat den feigen Brandanschlag auf die Jüdische Gemeinde in Oldenburg am nächsten Tag mit keiner Silbe erwähnt. Aber das Wohlergehen der Wölfe in Deutschland war erneut ein großes Thema. Sie dürfen nicht abgeschossen werden. Gilt das auch für Juden?
Der Autor ist Rechtsanwalt und Präsident des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen.