Immer und immer wieder wird auf höchster politischer Ebene jüdisches Leben in Deutschland gepriesen. Es sei »eine Geschichte mit Zukunft« (Angela Merkel), es »gehört zu uns und bereichert uns« (Frank-Walter Steinmeier). Unisono betonen die Vertreter sämtlicher demokratischer Parteien, jüdisches Leben in Deutschland müsse geschützt werden.
Dabei ist es zunächst primäre Aufgabe des Staates, für diesen Schutz zu sorgen, und zwar nicht als Zugeständnis, sondern weil sich aus der Verfassung der Auftrag ergibt, Minderheiten zu schützen, Religions- und Meinungsfreiheit zu gewährleisten.
HALLE Vor zwei Jahren versuchte ein Rechtsextremist, am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur in die Synagoge in Halle einzudringen und Juden zu ermorden. Wie steht es heute um die Sicherheit? Während einige Bundesländer finanziell wie personell weitreichende Maßnahmen ergriffen haben, scheinen sich andere ihrer Verantwortung wenig bewusst zu sein.
Bundesweit lässt sich zur Frage des Schutzes jüdischer Einrichtungen und der Verfolgung antisemitischer Straftaten ein unsäglicher Flickenteppich feststellen. Es fehlt offensichtlich an einem abgestimmten, gemeinsamen Handeln von Bund und Ländern.
Bundesweit haben wir es mit einem unsäglichen Flickenteppich zu tun.
Hinzu kommt: Sind diejenigen, die den Schutz gewährleisten, überhaupt geeignet? Monat um Monat werden bei Sicherheitsbehörden rechtsextreme Chats und Gruppen aufgedeckt. Von »bedauerlichen Einzelfällen« sprechen selbst jene Politiker nicht mehr, die das Problem über Jahre verharmlosten.
CORONALEUGNER Valide Studien zu antisemitischen Einstellungen unter den Beamten liegen nicht vor. Immer wieder wird – als wäre dies eine Entschuldigung – darauf verwiesen, dass Polizisten nur einen Querschnitt der Gesellschaft widerspiegeln.
Aber was bedeutet das? Können wir es beim Schutz von Synagogen riskieren, dass gegebenenfalls jener Teil der Bevölkerung dort steht, der auf Coronaleugner-Demos antisemitischen Parolen zustimmt oder Juden für des Übels Wurzel hält?
Der Schutz diskriminierter Minderheiten – und damit sind nicht nur Jüdinnen und Juden gemeint – wird nicht mit wortstarken Beiträgen an Gedenk- oder Festtagen erreicht. Worten müssen Taten folgen.
Die Autorin ist Rechtsanwältin in Dresden.