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Schaut nach Israel!

Zu spät, zu wenig: So läuft die Pandemiebekämpfung hierzulande. Was macht der jüdische Staat besser?

von Esther Schapira  09.12.2021 08:22 Uhr

Esther Schapira Foto: dpa

Zu spät, zu wenig: So läuft die Pandemiebekämpfung hierzulande. Was macht der jüdische Staat besser?

von Esther Schapira  09.12.2021 08:22 Uhr

Wie sehr hatte ich diesen Moment herbeigesehnt, und trotz aller Vorfreude war mir nun mulmig zumute. Das Flugzeug war voll besetzt, aber immerhin trugen alle Masken, hatten einen frischen PCR-Test und waren maximal sechs Monate zuvor geimpft worden oder genesen. Andernfalls hätte Israel ihnen keine Reisegenehmigung erteilt.

Zwanzig Monate lang war Touristen nur in Ausnahmefällen die Einreise gestattet gewesen, Familie hin, Freunde her. Die neue Freiheit aber währte nur kurz. Schon beim ersten Omikron-Fall wurde der Himmel für Ausländer erst einmal wieder dichtgemacht. Das israelische Frühwarnsystem hatte verlässlich angeschlagen.

zeitlupe Genau das war von Beginn der Pandemie an der alles entscheidende Unterschied zwischen Israel und Deutschland. Hierzulande kommen alle Maßnahmen wie in Zeitlupe um die Ecke. Zu spät, zu wenig. Selbst wenn der Kittel schon lichterloh brennt, wird diskutiert, ob man die Feuerwehr behelligen sollte. Bloß keine Panik schüren, so das deutsche Motto. Bloß nicht zu spät handeln, das israelische.

Im Sommer, als sich das Leben draußen abspielte und die Inzidenzen niedrig waren, reagierten die israelischen Corona-Verantwortlichen umgehend auf erste wieder steigende Infektionszahlen. Die Warnung der Wissenschaftler vor der nachlassenden Schutzwirkung des Impfstoffes fiel – genau wie in Deutschland – mitten in den Wahlkampf. Dennoch wurde umgehend mit der Booster-Kampagne durchgestartet, und die Krankenkassen meldeten sich bei den Versicherten, um Impftermine zu vereinbaren.

Zunächst stieg die Zahl der Neuinfektionen zwar trotzdem weiter dramatisch an, dann aber setzte die erhoffte Wirkung ein. Die vierte Welle wurde gebrochen. Deutschland schaute verwundert auf Israel, freilich ohne daraus eigene Schritte abzuleiten. Die trügerische Sicherheit der noch niedrigen Zahlen verführte hiesige Wahlkämpfer samt Wahlvolk zu gefährlichem Nichtstun. Volle Klubs und Ferienflieger und leere Impfzentren. Dabei gab es auch hierzulande genügend Experten, die vor der vierten Welle warnten, unter ihnen auch der jetzt frisch ernannte neue Gesundheitsminister Karl Lauterbach.

stiko Insbesondere aber die Ständige Impfkommission ignorierte fahrlässig die eindeutigen Erkenntnisse aus dem Impflabor Israel. Selbst jetzt noch, nachdem die Intensivstationen an ihre Grenzen kommen, beharrt der Stiko-Chef darauf, dass sich Zahlen und Forschungsergebnisse aus Israel nicht einfach auf Deutschland übertragen ließen. Eine Begründung für diese kühne These liefert er nicht, räumt aber inzwischen ein, dass die Verzögerung der Booster-Impfung vielleicht sogar Menschenleben gekostet habe.

Das Virus hat kein Mitleid mit den Langsamen.

Das Virus hat kein Mitleid mit den Langsamen. Wer den Wettlauf gewinnen will, muss schnell sein. Auch das zeigt der Blick nach Israel. Dort erlischt der Green Pass sechs Monate nach der Impfung, hierzulande beginnt erst jetzt – und damit wieder viel zu spät – eine vorsichtige Debatte über eine mögliche Begrenzung der Gültigkeit. Auch Israel hat keine Impfpflicht, aber längst eine durchgängige 2G-Regelung, und Tests sind keine Schlupflöcher für Impfverweigerer, sondern nur eine zusätzliche Sicherheitsmaßnahme für alle.

Wer auf dem Ben-Gurion-Flughafen landet, muss ausnahmslos zu einem PCR-Test und zu Hause das Ergebnis abwarten. Nicht schön, aber der Erfolg gibt der harten Strategie recht.

impfschlangen Während in Deutschland überrascht festgestellt wurde, dass tatsächlich eintrat, was seit Monaten absehbar war und sich in der Kälte erste endlose Impfschlangen bildeten, erlebten wir nur vier Flugstunden entfernt ein heiteres Land, das uns Corona für einige Tage vergessen ließ. Ergebnis auch der drinnen weiterbestehenden Maskenpflicht und konsequenter Green-Pass-Kontrolle. Das führt auch in Israel teils zu heftigen Protesten.

Auch dort gibt es Menschen, die gefangen sind im Netz von Verschwörungsspinnereien, und Impfverweigerer. Ihr politischer Einfluss aber ist marginal, auch wenn es überraschend viele sind. Nach einer neuen Studie glauben knapp 20 Prozent an eine mögliche Verschwörung der Regierung oder der Pharmaindustrie. Noch versuchen Politik und Wissenschaft gemeinsam, auch sie von der Notwendigkeit der Impfung zu überzeugen, auch in der Hoffnung, so eine Impfpflicht vermeiden zu können. Aber Omikron, die neue gefährliche Virusmutation, zwingt zu raschem Handeln.

Die vierte Impfung wird bereits geplant, und seit gut zwei Wochen läuft die Impfkampagne für Kinder auf Hochtouren, Teil der Vorbereitung auf die fünfte Welle, ebenso wie die Notfallübung »war game« unter Vorsitz des Premierministers. Simuliert wurde der Ausbruch einer neuen Corona-Variante, gegen die der Impfstoff nicht hilft und die besonders Kinder gefährdet. Israel weiß, wie überlebenswichtig es ist, sich während einer Waffenruhe auf den nächsten Angriff vorzubereiten. Bedrohung gehört zum Alltag wie Selbstverteidigung. Das Virus ist so gesehen nur ein weiterer Feind, den zu unterschätzen sich keine Regierung leisten kann. Das Land bereitet sich immer auf das Schlimmste vor und hofft auf das Beste.

Die Autorin ist Publizistin in Frankfurt.

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