Eugen El

Schaut auch auf Russland!

Eugen El Foto: Robert Schittko

Das Leid der Menschen in der Ukraine ist unermesslich. Die Situation der dortigen Zivilbevölkerung verdient unsere volle Aufmerksamkeit: Die Ukrainer brauchen jede Hilfe! Wir müssen jedoch auch auf die russische Bevölkerung blicken. Vor allem in den liberaleren Metropolen Moskau und St. Petersburg müssen die Menschen dieser Tage den Eindruck haben, innerhalb von zwei Wochen um 40 Jahre zurückgeworfen worden zu sein.

Die ohnehin nicht zahlreichen Antikriegsdemonstranten werden in Scharen festgenommen, Facebook und Twitter sind nicht mehr zugänglich, auch von einer baldigen, weitergehenden Internet-Sperre ist die Rede.

medien Aufgrund eines neuen Gesetzes, das drakonische Strafen für »falsche« Berichterstattung über den Krieg, der nicht einmal so genannt werden darf, vorsieht, haben sich westliche Medien aus Russland zurückgezogen. Unabhängige Informationen sind nur noch über Umwege zugänglich.

Auch in der russischen Mittelschicht könnte angesichts des absehbaren Wohlstandseinbruchs die Unzufriedenheit wachsen.

Und selbst der lieb gewonnene Konsum leidet, seitdem westliche Konzerne wie Apple, Volkswagen und Ikea ihren – zumindest vorübergehenden – Rückzug aus Russland verkündeten. Es ist wahrscheinlich nicht der eingeschränkte Konsum, der derzeit immer mehr vor allem jüngere Russen zur Ausreise bewegt, sondern das immer repressivere gesellschaftliche Klima und die drohende Rückkehr des »Eisernen Vorhangs«.

mittelschicht Auch in der russischen Mittelschicht könnte angesichts des absehbaren Wohlstandseinbruchs die Unzufriedenheit wachsen. In einem zunehmend der Sowjetunion ähnelnden, weitgehend isolierten Russland wollen zumindest die Großstädter nicht leben.

Ob Wladimir Putin deren Anliegen ernst nimmt, darf aber bezweifelt werden. Die durch die Folgen seines Überfalls auf die Ukraine eingeleitete Isolierung und Resowjetisierung Russlands dürfte Putin eingepreist haben. Es ist sogar zu vermuten, dass viele ältere und in ländlichen Gebieten lebende Russen diesen Kurs gutheißen. Putins Weg zurück in die vielfach verklärte Sowjetvergangenheit gehen sie aus Überzeugung mit.

eugen.el@juedische-allgemeine.de

Kommentar

Shiri, mein Herz bricht für dich

Sarah Cohen-Fantl will nicht verzeihen, dass Shiri, Kfir und Ariel Bibas nicht gerettet wurden

von Sarah Cohen-Fantl  21.02.2025

Katrin Richter

Demokratie statt Lethargie

Wer nicht wählt, muss mit dem leben, was dann dabei herauskommt

von Katrin Richter  21.02.2025

Igor Mitchnik

Europa muss sich hinter die Ukraine stellen

Trump denkt nicht transatlantisch, sondern transaktional

von Igor Mitchnik  20.02.2025

Meinung

Kennen Sie Abed Hassan?

Vieles, was der Berliner sagt, ist bedenklich nah dran an Hamas-Propaganda.

von Susanne Stephan  19.02.2025

Glosse

Ein Hoch auf die Israelkritik

Der »Spiegel« hat mit dem indischen Essayisten Pankaj Mishra ein »erhellendes« Interview zum Nahostkonflikt geführt

von Michael Thaidigsmann  18.02.2025

Meinung

Wie das Ende eines Alptraums, der fünf Jahre gedauert hätte

Alon Ishay ist erleichtert, dass die Koalitionsgespräche der FPÖ vorerst gescheitert sind

von Alon Ishay  17.02.2025

Meinung

Was »Sensibilität« bei der Berlinale bedeutet

Das Film-Festival hat eigens FAQ zum Nahostkonflikt veröffentlicht und distanziert sich darin gleich von der Antisemitismus-Resolution des Bundestages

von Maria Ossowski  20.02.2025 Aktualisiert

Einspruch!

Holt sie aus der Hölle raus

Sabine Brandes fordert, alles dafür zu tun, um auch die letzten verbliebenen Geiseln zu retten

von Sabine Brandes  13.02.2025

Meinung

Kanye West und der grassierende Antisemitismus in den USA

Die neuesten judenfeindlichen Eskapaden des Rapstars sind symptomatisch für eine bedrohliche Diskursverschiebung, die von Donald Trump und Elon Musk befeuert wird

von Ruben Gerczikow  10.02.2025