Bini Guttmann

Schächt-Urteil: EU am Scheideweg

Bini Guttmann Foto: privat

Bini Guttmann

Schächt-Urteil: EU am Scheideweg

Alle Beteuerungen über die Wichtigkeit jüdischen Lebens sind nutzlos, wenn absolute Grundrechte nicht mehr gewährleistet sind

von Bini Guttmann  24.12.2020 10:33 Uhr

Das Verbot des rituellen Schächtens in zwei der drei belgischen Regionen ist laut Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vereinbar mit EU-Recht. Das ist ein tiefer Eingriff in die Religionsfreiheit und könnte dafür sorgen, dass jüdisches Leben in der EU langfristig unmöglich wird. Das Urteil ist perfide.

In seiner Entscheidung wies der EuGH das Argument zurück, dass keine Betäubung für die Jagd von Tieren im Rahmen von »kulturellen oder sportlichen Veranstaltungen« gilt, da solche Veranstaltungen »höchstens zu einer unbedeutenden Produktion von Fleisch führen, die wirtschaftlich nicht von Bedeutung ist«. Die industrielle Massentierhaltung, mit ausbeuterischen Bedingungen für Mensch und Tier, stellt auch kein Problem dar.

schechita »Tierschutz« gilt also nur, wenn Millionen jüdischer und muslimischer Menschen in ihrer Religionsfreiheit beschnitten werden sollen. Der EuGH weiß außerdem, was Generationen von Rabbinern verborgen war: dass eine reversible mechanische Betäubung des Tieres vor der Schechita mit den Grundsätzen der Religionsfreiheit vereinbar ist. Das Urteil zeigt, wie wichtig es ist, dass jüdische und muslimische Gemeinden zusammenarbeiten.

Sobald es Angriffe auf eine marginalisierte Gruppe gibt, trifft es auch uns Juden. Unsere Antwort muss Solidarität sein.

Denn eines ist klar: Sobald es Angriffe auf eine marginalisierte Gruppe gibt, trifft es auch uns Juden. Unsere Antwort muss Solidarität sein.

Die EU steht an einem Scheideweg: Seit Jahren wird die Bedeutung des Kampfes gegen Antisemitismus und die Förderung jüdischen Lebens betont. Tatsächlich ist auch viel passiert. Gleichzeitig ist Schächten nun in Belgien, Dänemark und Schweden verboten, aus Polen darf kein koscheres Fleisch mehr exportiert werden – all das im Einklang mit EU-Recht. Alle Beteuerungen über die Wichtigkeit jüdischen Lebens sind nutzlos, wenn absolute Grundrechte nicht mehr gewährleistet sind.

Meint die EU es ernst, muss sie jetzt handeln und rechtliche Rahmenbedingungen schaffen, die fundamentale Elemente der Religionsfreiheit wie Schächten und Beschneidung garantieren und Urteile wie dieses unmöglich machen. Denn wenn es nicht mehr möglich ist, religiöse Grundbedürfnisse auszuüben, ist die Aussicht für jüdisches Leben in Europa langfristig düster.

Der Autor ist Präsident der European Union of Jewish Students.

Meinung

Der verklärte Blick der Deutschen auf Israel

Hierzulande blenden viele Israels Vielfalt und seine Probleme gezielt aus. Das zeigt nicht zuletzt die Kontroverse um die Rede Omri Boehms in Buchenwald

von Zeev Avrahami  18.04.2025

Kommentar

Bis zuletzt wollte Mustafa A. aus Lahav Shapira einen Täter machen

Dem Täter tue es leid, dass sein Angriff »instrumentalisiert wird, um jüdischen Bürgern Angst einzuflößen«. Ein unverfrorener Satz

von Nils Kottmann  17.04.2025

Volker Beck

Den Kampf gegen Antisemitismus nicht vereinnahmen

US-Präsident Trump nimmt den Antisemitismus an der Harvard University zum Anlass für einen Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit und die Rechtsgleichheit für alle

von Volker Beck  16.04.2025

Lasse Schauder

Wer den Begriff »Islamismus« bannen will, ist politisch unmündig

Die Berliner Jusos haben beschlossen, aus Gründen der Sprachsensibilität künftig nicht mehr von »Islamismus« sprechen zu wollen. Das ist ein fatales Signal an Betroffene extremistischer Gewalt

von Lasse Schauder  16.04.2025

Meinung

Nur scheinbar ausgewogen

Die Berichte der Öffentlich-Rechtlichen über den Nahostkonflikt wie die von Sophie von der Tann sind oft einseitig und befördern ein falsches Bild von Israel

von Sarah Maria Sander  16.04.2025

Eren Güvercin

Wo sind die Gelehrten, die der Fatwa gegen Israel widersprechen?

Ein ranghoher Geistlicher erklärt den Kampf gegen Israel zur Pflicht eines jeden Muslims. Kritik an diesem offenen Terroraufruf sucht man bei deutschen Islamverbänden vergeblich

von Eren Güvercin  16.04.2025

Essay

Warum ich stolz auf Israel bin

Das Land ist trotz der Massaker vom 7. Oktober 2023 nicht zusammengebrochen, sondern widerstandsfähig, hoffnungsvoll und vereint geblieben

von Alon David  15.04.2025 Aktualisiert

Joshua Schultheis

Im Krieg braucht es ein Korrektiv

Das israelische Militär will den verheerenden Angriff auf Krankenwagen in Gaza untersuchen. Es geht um viel: die Glaubwürdigkeit der Armee, Gerechtigkeit für die Toten und darum, sinnloses Leid künftig besser zu verhindern

von Joshua Schultheis  15.04.2025

Ernst-Wilhelm Gohl ist Landesbischof der evanglischen Landeskirche Württemberg

Antisemitische Anfeindungen

»Langenau ist kein Einzelfall«

Der Landesbischof von Württemberg fordert den Schutz von Pfarrern, die von »propalästinensischen« Aktivisten bedrängt werden

von Ernst-Wilhelm Gohl  14.04.2025