Frankreich hat ein Verbotsverfahren gegen die Identitäre Bewegung (IB) eingeleitet. Die IB hat Ableger in ganz Europa – in Deutschland agiert sie nahezu bundesweit. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft sie als rechtsextrem ein. Dagegen klagt die IB – auch, um einer Überwachung zu entgehen.
Identitäre entsprechen zunächst nicht den Klischeevorstellungen von Rechtsextremen. Nach außen inszenieren sie sich als weltoffen, hip und intellektuell. Ihre ideologische Ausrichtung ist daher nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen – was ihnen hilft, Jugendliche und neue Zielgruppen zu rekrutieren.
ideologie Unter diesem Anstrich verbirgt sich eine moderne Variante völkischer Ideologie: Ihr Ziel ist ein ethnisch und kulturell homogener Staat. Als Teil der Neuen Rechten beziehen auch sie sich auf den »Großen Austausch«, eine Verschwörungserzählung, die einen Geheimplan zum Austausch der Mehrheitsgesellschaft durch muslimische, nicht-weiße Einwanderung unterstellt.
Offene Bezüge zum Nationalsozialismus vermeidet die IB weitestgehend, Antisemitismus kommt in kodierter Form zum Ausdruck.
Offene Bezüge zum Nationalsozialismus vermeidet die IB weitestgehend, Antisemitismus kommt in kodierter Form zum Ausdruck. Deutlich wird jedoch eine Abkehr vom vermeintlichen »Schuldkult« gefordert.
intellektualisierung Mit der Intellektualisierung des Rechtsextremismus will die Bewegung eine Diskursverschiebung erreichen. Doch dabei bleibt es nicht. Zwar beteuert die IB Gewaltlosigkeit, allerdings widerlegen zahlreiche Straftaten von Identitären diese Bekundung. Vielmehr verbreiten ihre 600 Mitglieder in Deutschland eine Ideologie, die zur Legitimation von Gewalt dient. Vieles deutet darauf hin, dass ihre Führung in Kontakt zum Christchurch-Attentäter stand. Eindeutig sind die ideologischen Überschneidungen.
Wenn wir uns ein Jahr nach Hanau fragen, wie rechtsextreme Gewalt verhindert werden kann, müssen wir uns vom Einzeltätermythos verabschieden und die ideologischen Stichwortgeber der Rechtsterroristen in den Blick nehmen. Deutschland sollte dem Vorstoß Frankreichs folgen und ein Vereinsverbot prüfen, um den Kampf gegen Rassismus, Antisemitismus und ihre tödlichen Folgen konsequent zu führen.
Die Autorin ist Assistant Director for Political Affairs des American Jewish Committee (AJC) Berlin.