Die Reaktionen waren vorhersehbar. Nachdem am Montag 92 der 120 Abgeordneten in der Knesset in zweiter Lesung für zwei Gesetzentwürfe gestimmt hatten, wonach die UNRWA ihre Arbeit auf israelischem Staatsgebiet einstellen muss sowie israelischen Behörden alle Kontakte mit dem Palästinenserhilfswerk verboten werden sollen, hagelte es Kritik.
Die USA, die Israel bereits am 13. Oktober in einem Schreiben vor einer Verabschiedung der Gesetzesvorlage gewarnt hatten, sprachen von dem Risiko einer »Katastrophe«, die ein solcher Schritt für Millionen von Palästinensern bedeuten würde. Ähnliches war aus London zu hören. »Das Vereinigte Königreich ist sehr besorgt über die UNRWA-Gesetzesvorlagen, die die israelische Knesset verabschiedet hat.« Spanien, Slowenien, Irland und Norwegen verurteilten ebenfalls dem Beschluss.
Was die Kritiker der Knesset-Entscheidung von gestern jedoch nie zur Sprache brachten: Die UNRWA ließ in der Vergangenheit – um es höflich auszudrücken – an Distanz zur Hamas missen. Oder anders formuliert: Terroristen konnten die Ressourcen des 1949 gegründeten Hilfswerks der Vereinten Nationen nutzen.
Etwa zehn Prozent der rund 12.000 lokalen Mitarbeiter von UNRWA im Gazastreifen haben Verbindungen zur Hamas oder dem Islamischen Dschihad, so das »Wall Street Journal« im Januar. Mindestens zwölf Personen, die auf den Gehaltslisten der UNRWA standen, hätten sich am Massaker vom 7. Oktober aktiv beteiligt – beispielsweise Mohammad Abu Itiwi, ein Hamas-Kommandeur, der Handgranaten auf Besucher des Nova-Raves werfen ließ. Seinen Tod konnte die israelische Armee am Donnerstag vermelden. So etwas in seiner Kritik an Israels Entscheidung unter den Tisch fallen zu lassen, ist fahrlässig.
Premier Netanjahu hat das Vertrauen seines engsten Verbündeten leichtfertig aufs Spiel gesetzt.
Doch auch Israel verhält sich fahrlässig. So seien die Gesetzesvorlagen von der Opposition vorangetrieben worden, hatte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu noch vor einer Woche US-Außenminister Antony Blinken gegenüber im Gespräch erklärt. Washington möge sich wegen seiner Bedenken bitte an Yair Lapid, den Vorsitzenden von Jesch Atid wenden.
Tatsache aber ist: Dessen Partei hatte zwar bei der Abstimmung mit der Regierung dafür gestimmt, eingebracht aber wurde das Ganze von der Koalition. Das Vertrauen des engsten Verbündeten kann man kaum leichtfertiger aufs Spiel setzen.
Außerdem – und das ist viel relevanter – gibt es kein Konzept, wie die medizinische und sonstige Versorgung der Menschen im Gazastreifen funktionieren soll, wenn man UNRWA quasi ausschließt. Aus dem Büro des Ministerpräsidenten war nun zu hören, dass es ohnehin noch 90 Tage dauern würde, bis das Gesetz greift. »Wir sind bereit, mit unseren internationalen Partnern zusammenzuarbeiten, um sicherzustellen, dass Israel weiterhin humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen ermöglichen kann, ohne dass dadurch die Sicherheit Israels gefährdet wird.«
Doch wie und mit wem, darüber gibt es keine konkreten Aussagen. Fakt aber ist, dass Israel derzeit Teile des Gazastreifens besetzt hält. Damit ist man – nicht zuletzt auch durch internationales Recht – dazu verpflichtet, für die ausreichende Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern und humanitärer Hilfe zu sorgen. Alleine und auf Dauer ist das für Israel kaum zu leisten, weshalb es Partner braucht. Und natürlich einen Plan.