Dass der Internationale Gerichtshof (IGH) in dem von Südafrika angestrengten Verfahren einstweilige Anordnungen gegen Israel verhängen würde, war abzusehen. Die 17 Richter – darunter auch der von Israel nominierte ehemalige Präsident des Obersten Gerichts, Aharon Barak – haben jedoch kein Ende der Militäroperation im Gazastreifen angeordnet, was Israel als Erfolg verbuchen darf. Doch auch Südafrika kann zufrieden sein.
Der für Israel problematischste Teil ist die Anordnung des IGH, »alle in seiner Macht stehenden Maßnahmen zu ergreifen, um die direkte und öffentliche Aufstachelung zum Völkermord an Mitgliedern der palästinensischen Gruppe im Gazastreifen zu verhindern und zu bestrafen«.
Mehrheit der Richterkollegen
Selbst wenn der Vorwurf des Völkermordes gegen Israel völkerrechtlich nicht haltbar sein und Israel hiervon freigesprochen werden dürfte, sollte man nicht vergessen, dass für eine Verurteilung wegen Aufstachelung zum Völkermord eine geringere Beweislast gilt. Und es ist vielsagend, dass Barak in diesem Punkt mit der großen Mehrheit seiner Richterkollegen stimmte.
Die Anwälte Südafrikas haben in Den Haag die aufrührerischen Äußerungen einiger Minister und Knesset-Abgeordneter, die sogar den Abwurf einer Atombombe auf Gaza ins Spiel gebracht hatten, wirkungsvoll für sich genutzt. Statements, wonach es keine »unbeteiligten Zivilisten« in Gaza gebe, die Bezeichnung der Palästinenser als »Kinder der Finsternis« oder auch Aufrufe, den Gazastreifen dem Erdboden gleichzumachen, sind nicht nur verabscheuungswürdig. Sie untergraben auch die israelische Verteidigungsstrategie in Den Haag.
Dass am Wochenende elf Kabinettsminister und 15 Parlamentarier der Regierungskoalition an einer Konferenz teilnahmen, bei der in Reden, die an »Blut und Boden«-Ideologie erinnern, eine Wiederbesiedelung des Gazastreifens gefordert wurde, hat den Südafrikanern nur weitere Munition gegen Israel geliefert.
Der Autor ist Juraprofessor und ehemaliger Justiziar des World Jewish Congress.