Ekelhafte Bilder: Nazis in uniformähnlichem Outfit marschieren durch Plauen. Wer als Opfer das Original noch kennt, hat das hoffentlich nicht gesehen. Die anderen werden es nicht schnell vergessen. Warum wurde dagegen nichts getan? Eine staatliche Reaktion, die vor Gericht nicht hält, ist für die Marschierer ein Sieg. Genauso dumm aber ist Wegschauen. Die SA-Wiedergänger sind schlau, wissen, wo die Grenzen sind und wie man sie verschiebt. Nun verbuchen sie einen Erfolg.
FÄHRTEN Auf die Frage eines Twitter-Nutzers zu einem Galgen, der gezeigt wurde, antwortete die Polizei: »Welche konkrete … Gruppe sehen Sie denn beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet?« Dabei ist klar, dass die Polizei die Frage selbst beantworten muss. Sollen wir à la »Bild«-Leserreporter auf Smartphone-Fotos setzen? Wohl kaum. Aber die kriminalistischen Fährten, zu schauen, ob etwas auf Galgen oder Bannern stand oder was gerufen wurde, wurden nicht verfolgt. Die Polizei wollte nichts sehen.
Die Frage, was auf Galgen oder Bannern stand, hat sich die Polizei nicht gestellt. Sie wollte nichts sehen.
Laut Polizei sind ja auch die identischen hellbraunen T-Shirts, getragen fast durchgängig zu schwarzen Hosen, keine durch das Versammlungsgesetz verbotene Kleidung. Sie begründet das mit einem Urteil des Bundegerichtshofs (BGH) vom Januar 2018, indem es um die Warnwesten der Wuppertaler »Scharia-Polizei« ging. Doch in diesem Urteil steht etwas anderes: Das Gesetz wurde nach den Erfahrungen mit SA-Aufmärschen geschaffen, und es komme darauf an, ob der Auftritt insgesamt einschüchtert, ob er zeigt, man wolle keinen freien Meinungsaustausch und sei notfalls gewaltbereit.
GLEICHSCHRITT Das trifft auf Plauen zu: Die Gesamtumstände waren neben Kleidung von Gleichschritt, martialischen Fahnen und nazimäßigen Trommeln geprägt. Sieht das nach freiem Meinungsaustausch aus? Und der Aufzug von 300 Rechtsradikalen soll weniger einschüchternd gewesen sein als der von elf Leuten, fünf davon in »handelsüblicher« (BGH) Warnweste, »räumlich verstreut« (BGH) in Wuppertal-Elberfeld? Deren Freispruch wurde nämlich vom BGH aufgehoben.
Wie hohl klingt dann der sächsische Innenminister, wenn er mitteilt, es würden »alle rechtsstaatlichen Spielräume genutzt, um rechtsradikale Aufmärsche zu erschweren«.
Der Autor ist Rechtsanwalt und im Vorstand der Jüdischen Gemeinde Göttingen.