Wolfgang Seibert ist als Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Pinneberg zurückgetreten. Das ist gut, aber er versteht es nicht als Schuldeingeständnis. Und auch die, die ihm dazu geraten haben, wollen darin keine Schuldzuweisung erkennen. Doch mit dem Rücktritt ist nicht alles bereinigt.
Der Fall wirft weiterhin viele Fragen auf. Schon mit der Hauptfrage – Ist er jüdisch oder nicht? – beginnen die Schwierigkeiten. Er soll Mitglied der Frankfurter Gemeinde gewesen sein, heißt es, damit sei sein Judentum bestätigt. Es gibt also auch Fragen nach Struktur und Verfasstheit des Judentums in Deutschland.
anmassung Seibert ist ein verurteilter Hochstapler und Betrüger, saß vor rund 25 Jahren dafür im Gefängnis, das sollte der Gemeinde bekannt gewesen sein. Dass seine Großeltern angeblich in Auschwitz waren, ist keine harmlose Flunkerei, sondern die Anmaßung einer Opferidentität, die Schoa-Überlebende und ihre Nachkommen zutiefst verletzt.
Warum er dies behauptet hat? Weil er die Identität seiner jüdischen Pflegeeltern angenommen hat? Halachisch ist das nicht relevant, psychologisch vielleicht verständlich. All das wird er sich selbst fragen müssen.
Hat Seibert also 15 Jahre lang eine Gemeinde geleitet, ist öffentlich aufgetreten – eloquent die jüdische Gemeinschaft vertretend – und hat sie dabei betrogen? Er wurde von der nichtjüdischen Gesellschaft hofiert und geehrt für seinen Einsatz, als er einem Sudanesen in der Synagoge Kirchenasyl gewährte. Die Medien sind gern darauf eingegangen.
koscherstempel Schaden ist entstanden: für die nichtorthodoxe jüdische Gemeinschaft – schließlich hatten Rabbiner Seibert koscher gestempelt; für das gesamte Judentum, dessen Identität nun infrage gestellt wird; und für die Gemeinde Pinneberg, die diesen Vorsitzenden hatte.
Es bleiben Fragen: Wer ist Wolfgang Seibert, und warum hat er so gehandelt? Die wahre Antwort darauf kennt vielleicht eher ein Psychologe als ein Jurist.