Die Zügellosigkeit der Jugendlichen, die in der Silvesternacht Polizei- und Feuerwehrkräfte angriffen, ist unentschuldbar. Wer nicht davor zurückschreckt, mit Gewalt gegen Vertreter staatlicher Institutionen vorzugehen, muss die Härte des Rechtsstaats erfahren. Doch Krawalle in der Silvesternacht gab es bereits vor der Wiedervereinigung. Dafür lohnt sich ein Blick in die ARD Mediathek.
Dass nun wiederholt zum Jahresanfang die Debatte um eine »gescheiterte Migration« losgetreten wird, entlarvt die weltanschaulichen Überzeugungen vieler Politiker in diesem Land. Wen möchten jene Politiker mit ihren Botschaften über »kulturelle Überfremdung« oder »Integrationsunwilligkeit« erreichen? Es sollte doch klar sein, dass weder soziale Distinktion noch die Verbreitung rassistischer Ressentiments Integration fördern.
bildung Jugendliche, die in sozial geschwächten Milieus aufwachsen, brauchen Perspektiven und die Chance auf echte Teilhabe und sozialen Aufstieg statt demütigende Pauschalverurteilungen aufgrund der Herkunft. Der Staat steht in der Pflicht, eine gleichberechtigte Bildung, die die Basis des sozialen Aufstiegs ist, für alle zu ermöglichen.
Als in den 1990ern jüdische Kontingentflüchtlinge nach Deutschland kamen, waren auch sie mit Ressentiments konfrontiert.
Wer sich jedoch Brennpunktschulen in Berlin oder Nordrhein-Westfalen anschaut, braucht sich nicht zu wundern, dass sich Jugendliche abgehängt und vernachlässigt fühlen. Marode Gebäude, Lehrer- und Sozialarbeitermangel und fehlende außerschulische Angebote verschärfen die Notlage. Vieler dieser Jugendlichen erleben zudem rassistische Alltagserfahrungen. Wie soll sich ein Mensch als Teil einer Gesellschaft fühlen, die ihn von vornherein als integrationsunfähigen Fremdkörper abschreibt?
Als in den 1990ern jüdische Kontingentflüchtlinge nach Deutschland kamen, waren auch sie mit Ressentiments konfrontiert. Die Folgegenerationen schafften jedoch in der Regel einen sozialen Aufstieg auch durch Angebote der jüdischen Institutionen. Gemeindestrukturen können also ebenfalls einen integrativen Beitrag zur Demokratiebildung leisten. Empathieloser Paternalismus hingegen ist kontraproduktiv, denn auch ein solcher Umgang kann Jugendliche in demokratiefeindliche Strukturen drängen.
Die Autorin ist Präsidentin der Jüdischen Studierendenunion Deutschland (JSUD).