Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier setzt sich dafür ein, die Paulskirche in Frankfurt als Ort der deutschen Demokratie aufzuwerten und neu zu gestalten. Das ist auch eine wichtige jüdische Debatte. In der Paulskirche tagte 1848 und 1849 das erste halbwegs demokratisch gewählte deutsche Parlament.
Und obwohl das Parlament – wie auch die Revolution – an den preußischen Truppen scheiterte, hat es für unsere Demokratie bis heute wirksame Beschlüsse gefasst: die Grundrechte der Verfassung vom 28. März 1849.
Die Brisanz dieser Vergesslichkeit ist in der aktuellen politischen Debatte noch nicht erkannt worden.
Diese Sätze prägten auch die Verfassung von 1919 und bilden das Herz des Grundgesetzes von 1949. Sie sind das Fundament unseres demokratischen sozialen Rechtsstaats. Damit hat die brüchige demokratische Linie in der deutschen Geschichte eine bedeutsame Kontinuität, die aber viel zu wenig beachtet wird – merkwürdigerweise sogar in der Paulskirche selbst.
Und in der Dauerausstellung der Paulskirche völlig vergessen ist, dass dieser Ort für die deutsch-jüdische Geschichte von zentraler Bedeutung ist.
gleichstellung Zur Erinnerung: Am 29. August 1848 wurde die rechtliche Gleichstellung der Juden beschlossen: »Durch das religiöse Bekenntniß wird der Genuß der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte weder bedingt noch beschränkt.« Es gab aber einen Gegenantrag, gestellt von einem völkisch denkenden Liberalen: »Die Israeliten gehören vermögen ihrer Abstammung dem deutschen Volke nicht an.«
Mit überwältigender Mehrheit wurde dieser Gegenantrag abgelehnt, nachdem der jüdische Abgeordneten Gabriel Riesser Klartext gesprochen hatte: »Es ist Ihnen vorgeschlagen, einen Theil des deutschen Volkes der Intoleranz, dem Hasse zum Opfer hinzuwerfen; das werden Sie nimmer thun. Vertrauen Sie der Macht des Rechts, der Macht des einheitlichen Gesetzes.«
Die Dauerausstellung erwähnt diesen zentralen Beschluss und die Bedeutung von Gabriel Riesser mit keinem einzigen Wort. Die Brisanz dieser Vergesslichkeit ist in der aktuellen politischen Debatte um die Paulskirche noch nicht erkannt worden. Das muss sich ändern.
Der Autor ist Jurist und Sprecher des Arbeitskreises jüdischer Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten.