Am 27. Januar 1945 befreiten sowjetische Truppen das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Dieses Lager wurde zum Synonym des Holocaust, der die Tiefe der menschlichen Abgründe für alle Zeiten darstellt.
Im November 2005 wurde das Datum, der 27. Januar, von den Vereinten Nationen als Tag zum weltweiten Gedenken an die Opfer des Holocaust gewählt.
Im Oktober 2023 folgte das moralische Versagen derselben Vereinten Nationen: Die Reaktion der Organisation auf das schreckliche Massaker der Hamas vom 7. Oktober stellt eine Täuschung ihres Mandats zur Förderung der Menschenrechte dar.
Der Internationale Shoa Memorial Tag gibt uns eine gute Gelegenheit zur Erinnerung. Ein sehr wichtiger Grundsatz des Judentums ist der Imperativ »ZACHOR – erinnere dich.« Wir müssen uns erinnern, damit wir nicht vergessen. Wir dürfen die Täter nicht vergessen. Und erst recht nicht die Opfer, wie sie als Rechtfertigung für den Völkermord diffamiert, dämonisiert und entmenschlicht wurden.
»ZACHOR – erinnere dich.«
Die Shoa war ein Wendepunkt in der Geschichte der Menschheit. Danach war nichts mehr so wie zuvor. Die Einzigartigkeit der Shoa basiert auf zwei Elementen: Die Judenjagd folgte einem gut organisierten und systematischen Plan. Und das Ausmaß der Tötungsindustrie kannte keine Grenzen.
Während unsere Erinnerungen an die Zerstörung und den Untergang schwinden, müssen wir uns erinnern und dürfen nicht vergessen, dass die Shoa nicht in Auschwitz, Majdanek, Jasenovac oder den anderen Vernichtungslagern begann. Sie hat mit dem Antisemitismus begonnen. Mit dem ältesten und beständigsten und zugleich tödlichsten Hass, der eine ganz besondere, bösartige Form des irrationalen Hasses und der Vorurteile gegen die Juden darstellt.
Die Shoa begann mit Äußerungen und Handlungen gegen die Juden am Arbeitsplatz, in den Universitäten, mit Steinwürfen auf jüdische Geschäfte, mit Bespucken von Juden auf den Straßen der Städte usw.. In Auschwitz wurden Juden wegen diesem Antisemitismus ermordet.
Für uns Israelis, für die jüdischen Gemeinden auf der ganzen Welt und für Menschen, die an den Werten der Moral festhalten, bekommt der Holocaust-Gedenktag in diesem Jahr eine neue und schmerzhafte Bedeutung.
80 Jahre nach der Shoa ist es offensichtlich, dass die schrecklichen Ereignisse vom 7. Oktober in Israel auch vor dem Hintergrund von Äußerungen eines breiten, organisierten Antisemitismus in der Öffentlichkeit auf der ganzen Welt, einschließlich der muslimischen und der arabischen Welt, stattfanden. Eine besondere Quelle des Hasses gegen die Juden und den jüdischen Staat ist im Bildungssystem der palästinischen Bevölkerung im Westjordanland und im Gazastreifen zu finden (lesen Sie die HAMAS-Charta von 1988).
Wie die Shoa, geschah auch das Massaker vom 7. Oktober »nicht im luftleeren Raum«
Wie die Shoa, geschah auch das Massaker vom 7. Oktober »nicht im luftleeren Raum«, wie UN-Generalsekretär Antonio Guterres es ausdrückte, und zwar auf eine beschämende Art und Weise, die den Schrecken deutlich abschwächt – der Kontext des Massakers war nicht politisch, sondern rein antisemitisch und rassistisch.
Demonstrationen auf der ganzen Welt, die »die Befreiung Palästinas vom Fluss bis zum Meer« fordern, verleihen der ethnischen Säuberung der Juden faktisch Legitimität. Im Klartext: Israel ist ein illegitimer Staat, der kein Existenzrecht hat. Dies ist der wahre Kontext der Ereignisse vom 7. Oktober.
Holocaust-Überlebende, die in der westlichen Negev und in einigen der 30 Gemeinden lebten, die am 7. Oktober angegriffen wurden, wurden erneut Zeugen von Schrecken, von denen die Welt geschworen hatte, dass sie »nie wieder« passieren würden.
Der deutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert, sagte in einem Interview: »Kürzlich habe ich eine ältere Frau getroffen, die den Holocaust überlebt hat. Sie sprach über ihren Enkel, der entführt wurde und in Gaza festgehalten wird. Sie hat den Holocaust überlebt und muss nun den Schrecken ertragen, dass ihr unschuldiger Enkel irgendwo in Gaza gegen seinen Willen festgehalten wird. Es lässt sich nicht beschreiben.«
Generalsekretär und Leiter von UN-Organisationen ließen sich nicht von den Videos beeindrucken, die live von den Körperkameras der Terroristen gestreamt wurden
Seit seiner Gründung hat Israel Diskriminierung bei den Vereinten Nationen und eine offen feindselige Haltung in vielen ihrer Büros und Agenturen ertragen müssen. Heutzutage sind viele Israelis erstaunt und bestürzt, Zeuge des moralischen Versagens der UN und ihrer hochrangigen Beamten zu werden - vom Generalsekretär und den Leitern von UN-Organisationen wie UNICEF, UN Women und WHO bis hin zu den hochrangigen Verwaltungsbeamten der UN. Diese ließen sich nicht von den monströsen Bildern und Videos beeindrucken, die live von den Körperkameras der Terroristen gestreamt wurden.
Dieses moralische Versagen der Vereinten Nationen fördert die Sache der Hamas und ihres Sponsors Iran, die nicht nur die Zerstörung Israels, sondern der gesamten freien Welt anstreben.
Drei Monate nach dem schrecklichen Massaker am 7. Oktober und am Internationalen Holocaust-Gedenktag werden wir erneut schmerzlich daran erinnert, dass der Antisemitismus nicht tot ist. Er ist nicht verschwunden. Von Online-Hasstiraden über Hassverbrechen und Angriffe auf jüdische Menschen, ihr Eigentum und ihre Institutionen bis hin zur Schändung von Synagogen, Friedhöfen und Gedenkstätten.
Die Shoa-Leugnungsbewegung ist »die Spitze« des alten und neuen Antisemitismus
Die Shoa-Leugnungsbewegung – »die Spitze« des alten und neuen Antisemitismus – ist nicht nur ein Angriff auf das jüdische Gedächtnis und die Menschenwürde, indem sie behauptet, die Shoa sei ein Schwindel. Es handelt sich um eine internationale kriminelle Verschwörung zur Vertuschung der schlimmsten Verbrechen der Geschichte.
Der Weg der Shoa-Leugnung ist völlig klar: von der Leugnung des Völkermords am jüdischen Volk über die Leugnung, dass er jemals stattgefunden hat, bis hin zu den Anschuldigungen, dass die Juden den Schwindel erfunden hätten. Der Herausforderung, dem Antisemitismus und der Leugnung des Shoa entgegenzutreten, ist klar.
Leider – und unglaublicherweise - gehört heute auch dazu, der Verzerrung und Leugnung der am 7. Oktober begangenen Gräueltaten, die von den Mördern selbst dokumentiert wurde, entgegenzutreten.
Heute, am Internationalen Holocaust-Tag, und vor dem Hintergrund des schrecklichen Massakers vom 7. Oktober, stellt sich die Frage: Hat die Welt wirklich die Lehren aus dem Holocaust gezogen und verinnerlicht?
Achtzig Jahre nach dem Holocaust, schweigen viele Länder der Welt immer noch angesichts der Drohungen Irans gegen Israel und setzen ihr Schweigen angesichts der Gräueltaten fort, die die Hamas im Schwarzen Oktober an den Bürgern des Staates Israel begangen hat.
In diesem Jahr muss der Internationale Holocaust-Gedenktag mehr als je zuvor als deutliche Erinnerung dafür dienen, was einer Welt widerfahren kann, die untätig zusieht.
Nie wieder ist jetzt.
Ilan Mor ist ehemaliger Botschafter Israels in Ungarn und Kroatien.