Es waren lediglich glückliche Zufälle, die vor wenigen Wochen in Halle ein ähnliches Massaker wie 2011 im schwedischen Utoya, 2018 in Pittsburgh oder 2019 im neuseeländischen Christchurch verhinderten. Doch mischt sich in die Erleichterung große Sorge: dass nämlich die tödliche Dimension von Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus von den deutschen Sicherheitsbehörden nach wie vor nicht ernst genug genommen wird. Gegen hochgefährliche bundesweite Neonazi-Netzwerke wie etwa Combat 18 wird kaum vorgegangen.
Bundespläne sind gut, aber die Länderbehörden müssen besser ausgestattet werden.
Das jüngste »9-Punkte-Maßnahmenpaket« der Bundesregierung sieht zwar vor, dass Plattformen wie Facebook oder Twitter Fälle von Volksverhetzung und Ähnliches melden müssen. Ebenso sollen die privaten Meldedaten von Menschen, die von solchen Mordaufrufen bedroht sind, besser geschützt werden. All das ist richtig, und auch ein konsequentes Waffenscheinverbot für Verfassungsfeinde ist sinnvoll, wie auch eine bessere Finanzierung von zivilgesellschaftlichen Projekten gegen rechts.
EINZELTATEN Doch daran, dass jedes Jahr Tausende Strafanzeigen wegen Hass im Netz im Sande verlaufen, ändert der Plan der Bundesregierung erst einmal nichts, solange die zuständigen Ermittlungsbehörden der Länder nicht adäquat ausgestattet werden. Und auch, dass beispielsweise mehr als drei Jahre, nachdem 250 bewaffnete Neonazis den Leipziger Stadtteil Connewitz überfielen, weniger als die Hälfte aller Tatbeteiligten vor Gericht steht, bleibt bis auf Weiteres Normalität. Oder auch daran, dass, wie in Berlin-Neukölln, rechtsterroristische Anschlagsserien schlicht als Einzeltaten gelten, wird sich nichts ändern.
Nichts gegen den »9-Punkte-Plan« der Bundesregierung. Aber solange nicht wesentlich mehr passiert, bleiben die Angegriffenen entmutigt und vom Staat alleingelassen.
Die Autorin ist Journalistin und Geschäftsführerin des Verbandes der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt.