Nan Goldin ist eine ausgezeichnete Fotografin. In einer Ausstellung der Berliner Akademie der Künste war 2022 zu sehen, wie die Amerikanerin Menschen aus der LGBTQ-Community, zu der sie selbst gehört, faszinierend nahe kommt: ob queeren Partygängern, Dragqueens oder ihrer eigenen Partnerin.
Aber Goldin ist auch Anti-Israel-Aktivistin, die vom Nahen Osten keine Ahnung hat und trotzdem die Welt bekehren möchte. Das hätte die Neue Nationalgalerie bedenken müssen, als sie eine Retrospektive mit ihr plante – besonders nach dem 7. Oktober 2023. Denn seitdem ist Goldin, die zu Recht für ihren Kampf gegen die Pharmafirma Purdue gefeiert wurde, zu einer der schrillsten Lautsprecherinnen der Israel-Boykott-Bewegung BDS mutiert. Sie kooperiert auch mit der ominösen Bewegung »Strike Germany«, die zum Boykott deutscher Kultureinrichtungen aufruft.
Den Skandal konnte auch ein Symposium über »Kunst und Aktivismus in Zeiten der Polarisierung« nicht abfedern.
Aber Klaus Biesenbach von der Neuen Nationalgalerie wollte die Schau offenbar um jeden Preis. In Kauf nahm er dabei nicht nur ihre Eröffnungsrede, in der Goldin am Freitagabend den Genozidvorwurf gegen Israel erhob und faktenwidrig behaupte, in Deutschland seien seit dem 7. Oktober 180 Künstler gecancelt worden. In Kauf nahm er ebenfalls, trotz seines Eintretens für die Meinungsfreiheit von Aktivisten niedergebrüllt zu werden. Warum ließ er diese Leute überhaupt ins Museum?
Den Skandal konnte auch ein Symposium über »Kunst und Aktivismus in Zeiten der Polarisierung« von Sonntag nicht abfedern. Hardcore-BDS-Vertreter hatten abgesagt, »proisraelische« Künstler ebenso. Co-Kuratorin Saba-Nur Cheema präzisierte zu Recht, bei vielen der 180 Fälle, die ein Instagram-Archiv als »Archive of Silence« auflistet, handele es sich keineswegs um »Canceln« oder »Silencing« (wie etwa bei TU-Präsidentin Geraldine Rauch, der Autorin Deborah Feldman oder der Aktivistin Hebh Jamal, die das Massaker vom 7. Oktober als notwendige »Dekolonisierung« bezeichnet hatte).
Doch das ändert leider nichts daran, dass wieder ein »kultureller« Abend in Gebrüll unterging. Nan Goldins Kunst ist sehenswert, aber der Preis war zu hoch. Klaus Biesenbach sollte die Konsequenzen ziehen und zurücktreten.