Ayala Goldmann

Nach der documenta ist vor der documenta

Dass Claudia Roth »keine koordinierte Verantwortungslosigkeit« auf der documenta mehr möchte, ist zu begrüßen. Aber in Kassel war man offenbar schneller

von Ayala Goldmann  16.01.2023 09:16 Uhr Aktualisiert

Ayala Goldmann Foto: Ayala Goldmann

Dass Claudia Roth »keine koordinierte Verantwortungslosigkeit« auf der documenta mehr möchte, ist zu begrüßen. Aber in Kassel war man offenbar schneller

von Ayala Goldmann  16.01.2023 09:16 Uhr Aktualisiert

In vier Jahren und fünf Monaten, am 12. Juni 2027, öffnet die 16. Weltkunstschau in Kassel. Dass sich das offensichtliche Debakel des vergangenen Sommers nicht wiederholen darf – mit antisemitischer Bildsprache, mitten auf dem Kasseler Friedrichsplatz zur Schau gestellt –, darin sind sich wohl alle Beteiligten einig. Schon allein deshalb, weil ein weiterer Skandal den Ruf endgültig ruinieren würde.

Doch was geschieht konkret, um die gescheiterte documenta fifteen aufzuarbeiten? Während ein Ergebnispapier der fachwissenschaftlichen Begleitung noch nicht vorliegt und ein Gutachten des Rechtsexperten Christoph Möllers im Kulturstaatsministerium noch ausgewertet wird, wurden in Kassel bereits erste Nägel mit Köpfen gemacht.

WEICHEN Die Weichen für die Findungskommission, die zuletzt im September 2022 mit einem Statement von sich reden machte, in dem sie den »von Medien und Politiker*innen auf das gesamte Team der documenta ausgeübten Druck« als »unerträglich« bezeichnete, wurden Ende 2022 neu gestellt – und zwar wurde eine Gruppe für Vorschläge zur Auswahl einer neuen Findungskommission mit früheren documenta-Leitern besetzt, unter anderem mit Adam Szymczyk. Er hatte im Mai 2021 einen »Brief gegen die Apartheid« unterschrieben, der dazu auffordert, Kulturbeziehungen zur »Kolonialmacht« Israel zu beschneiden.

Auch das Kuratorenkollektiv ruangrupa, das während der documenta fifteen Kritik an Antisemitismus als »rassistisch« abgeblockt hatte, wurde übrigens angefragt, bei den Vorschlägen für die Findungskommission mitzuwirken – glücklicherweise lehnte es ab.

Kulturstaatsministerin Claudia Roth erklärte, in Zukunft bedinge eine weitere finanzielle Beteiligung des Bundes auch eine inhaltliche.

Nun erklärte Kulturstaatsministerin Claudia Roth, in Zukunft bedinge eine weitere finanzielle Beteiligung des Bundes auch eine inhaltliche. Doch was soll das genau heißen? Unter Roths Vorgängerin Monika Grütters blieben seit 2018 zwei Sitze im Aufsichtsrat der documenta unbesetzt – daran hat sich bis heute nichts geändert. Das Vorschlagsrecht für diese Sitze im Kontrollgremium liegt bei der Bundeskulturstiftung.

Dass Claudia Roth »keine koordinierte Verantwortungslosigkeit« auf der documenta mehr möchte, ist zu begrüßen. Aber in Kassel war man offenbar schneller.

goldmann@juedische-allgemeine.de

Anmerkung: In der ursprünglichen Fassung des Kommentars hieß es, die ehemaligen documenta-Leiter seien als Mitglieder der Findungskommission berufen worden. Es handelt sich aber nicht um die Findungskommission, sondern um eine Gruppe zur Findung der Findungskommission.

Kommentar

Shiri, mein Herz bricht für dich

Sarah Cohen-Fantl will nicht verzeihen, dass Shiri, Kfir und Ariel Bibas nicht gerettet wurden

von Sarah Cohen-Fantl  21.02.2025

Katrin Richter

Demokratie statt Lethargie

Wer nicht wählt, muss mit dem leben, was dann dabei herauskommt

von Katrin Richter  21.02.2025

Igor Mitchnik

Europa muss sich hinter die Ukraine stellen

Trump denkt nicht transatlantisch, sondern transaktional

von Igor Mitchnik  20.02.2025

Meinung

Kennen Sie Abed Hassan?

Vieles, was der Berliner sagt, ist bedenklich nah dran an Hamas-Propaganda.

von Susanne Stephan  19.02.2025

Glosse

Ein Hoch auf die Israelkritik

Der »Spiegel« hat mit dem indischen Essayisten Pankaj Mishra ein »erhellendes« Interview zum Nahostkonflikt geführt

von Michael Thaidigsmann  18.02.2025

Meinung

Wie das Ende eines Alptraums, der fünf Jahre gedauert hätte

Alon Ishay ist erleichtert, dass die Koalitionsgespräche der FPÖ vorerst gescheitert sind

von Alon Ishay  17.02.2025

Meinung

Was »Sensibilität« bei der Berlinale bedeutet

Das Film-Festival hat eigens FAQ zum Nahostkonflikt veröffentlicht und distanziert sich darin gleich von der Antisemitismus-Resolution des Bundestages

von Maria Ossowski  20.02.2025 Aktualisiert

Einspruch!

Holt sie aus der Hölle raus

Sabine Brandes fordert, alles dafür zu tun, um auch die letzten verbliebenen Geiseln zu retten

von Sabine Brandes  13.02.2025

Meinung

Kanye West und der grassierende Antisemitismus in den USA

Die neuesten judenfeindlichen Eskapaden des Rapstars sind symptomatisch für eine bedrohliche Diskursverschiebung, die von Donald Trump und Elon Musk befeuert wird

von Ruben Gerczikow  10.02.2025