Lidia Averbukh

Mit Terroristen sprechen?

Lidia Averbukh Porträt
Lidia Averbukh

Lidia Averbukh

Mit Terroristen sprechen?

Nach dem Abzug aus Afghanistan kann ein Blick des Westens auf die Gesprächsdynamik zwischen Israel und der Hamas hilfreich sein

von Lidia Averbukh  03.09.2021 13:55 Uhr

Wie verhandelt man mit Terroristen? Nach dem Abzug aus Afghanistan stellt sich diese Frage für westliche Staaten, die bei weiteren Evakuierungen auf die Kooperation der Taliban angewiesen sind. Es ist eine Abkehr von der früheren Haltung, die mit Dick Cheney lautete: »We don’t negotiate with evil. We defeat it.«

Ein Blick auf die Gesprächsdynamik zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen ist da hilfreich. Obwohl bekannt, sind Verhandlungen zumeist indirekt und geheim. Gespräche mit der Hamas bedeuten das Gegenteil der proklamierten israelischen Politik. Die nach außen getragene Agenda besteht gerade darin, Hamas als terroristische Organisation zu delegitimieren und international zu isolieren. So ist auch die Erwartung an die eigenen Verbündeten. Zu erwähnen ist der Verdruss mit Russland, das seit 2006 mit der Hamas Kontakte pflegt.

GEFANGENENAUSTAUSCH Verhandlungen sind auch innenpolitisch problematisch. Umso mehr in Zeiten der gewaltsamen Eskalation, wenn Gesprächsbereitschaft als Schwäche ausgelegt werden kann. Nach der Waffenruhe 2018, die er als »Kapitulation von dem Terror« bezeichnete, sprengte der frühere Verteidigungsminister Avigdor Lieberman mit seinem Austritt die damalige Regierungskoalition. Darauf folgten vier Wahlen und ein politischer Stillstand von über zwei Jahren.

Das Format der Verhandlungen ist begrenzt. Gespräche sind mühsam, führen oft nicht zum Erfolg und bringen keine spürbare Linderung im Konflikt.

Für die israelische Bevölkerung ist die Hamas eine Organisation, die sie regelmäßig in Angst und Schrecken versetzt. Wenn Verhandlungen öffentlich thematisiert werden, werden sie dadurch begründet, dass sie sich mit einem konkreten Sachverhalt im Interesse der Israelis befassen – etwa einem Gefangenenaustausch wie im Fall von Gilad Shalit, der 2011 nach über fünf Jahren freikam.

ERPRESSUNG Doch das Format der Verhandlungen ist begrenzt. Gespräche sind mühsam, führen oft nicht zum Erfolg und bringen keine spürbare Linderung im Konflikt. Und wenn Geldtransfers an die Hamas als Bedingung für Gewaltverzicht und Entspannung verhandelt werden, scheinen sie für Israelis zu einem Instrument für ihre Erpressung geworden zu sein.

Um eine derartige Verselbstständigung von Verhandlungen zu vermeiden, muss ersichtlich sein, dass Gespräche mit Terroristen – sei es mit der Hamas oder den Taliban –, auch wenn sie notwendig sind, jeweils die Ausnahme und nicht die Regel sind.

Die Autorin ist Politikwissenschaftlerin bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.

Meinung

Die UN, der Holocaust und die Palästinenser

Bei den Vereinten Nationen wird die Erinnerung an den Holocaust mit der »Palästina-Frage« verbunden. Das ist obszön, findet unser Autor

von Jacques Abramowicz  25.04.2025

Meinung

Nur scheinbar ausgewogen

Die Berichte der Öffentlich-Rechtlichen über den Nahostkonflikt wie die von Sophie von der Tann sind oft einseitig und befördern ein falsches Bild von Israel

von Sarah Maria Sander  24.04.2025

Essay

Der verklärte Blick der Deutschen auf Israel

Hierzulande blenden viele Israels Vielfalt und seine Probleme gezielt aus. Das zeigt nicht zuletzt die Kontroverse um die Rede Omri Boehms in Buchenwald

von Zeev Avrahami  24.04.2025

Meinung

Ich habe versagt

Damit sich ein Ereignis wie die Schoa nicht wiederholt, kommt es darauf an, wie wir erinnern. Doch wir sind offenbar dabei, genau das den Falschen zu überlassen

von Sophie Albers Ben Chamo  23.04.2025

Jom Haschoa

Zwei Minuten Stillstand?

Sollte in Deutschland in derselben Art und Weise wie in Israel an die Opfer der Schoa erinnert werden? Ein Gastbeitrag von Felix Klein

von Felix Klein  22.04.2025

Kommentar

Bezalel Smotrich, die Geiseln in Gaza und der moralische Teufelskreis

Zum Gesellschaftsvertrag in Israel gehört es, dass kein Soldat und kein Opfer von Terror zurückgelassen wird. Niemand! Niemals! Koste es, was es wolle. Was es bedeutet, dies nun in Frage zu stellen

von Daniel Neumann  22.04.2025

Kommentar

Bis zuletzt wollte Mustafa A. aus Lahav Shapira einen Täter machen

Dem Täter tue es leid, dass sein Angriff »instrumentalisiert wird, um jüdischen Bürgern Angst einzuflößen«. Ein unverfrorener Satz

von Nils Kottmann  17.04.2025

Volker Beck

Den Kampf gegen Antisemitismus nicht vereinnahmen

US-Präsident Trump nimmt den Antisemitismus an der Harvard University zum Anlass für einen Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit und die Rechtsgleichheit für alle

von Volker Beck  16.04.2025

Lasse Schauder

Wer den Begriff »Islamismus« bannen will, ist politisch unmündig

Die Berliner Jusos haben beschlossen, aus Gründen der Sprachsensibilität künftig nicht mehr von »Islamismus« sprechen zu wollen. Das ist ein fatales Signal an Betroffene extremistischer Gewalt

von Lasse Schauder  16.04.2025