Deutschland hat gewählt. Und es muss nun feststellen, dass eine vielfältiger werdende Gesellschaft nicht automatisch eine demokratischere bedeutet.
Der große Verlierer dieser Wahl ist die politische Mitte. Die AfD, eine in Teilen rechtsextreme Partei, für deren Ehrenvorsitzenden die Nazis nur ein »Vogelschiss in der deutschen Geschichte« waren, wird mit über 20 Prozent größte Oppositionspartei. Doch nicht nur von rechts droht Ungemach. Auch die Partei »Die Linke« feiert ein überraschendes Comeback – eines, an das sie selbst nicht geglaubt hatte. Dort klopft man sich auf die Schultern und fühlt sich bestärkt in der Kampfansage »Auf die Barrikaden!«.
Unter migrantischen Wählern bekam sie gleichfalls starken Zuspruch. Muslimische Influencer und Social-Media-Aktivisten hatten die Linkspartei als einzige wählbare Alternative angepriesen. Ausschlaggebend dafür war ihre Haltung zu Israel und zum Nahostkonflikt. So kam Linken-Kandidat Ferat Koçak im Berliner Bezirk Neukölln auf satte 30 Prozent der Erststimmen.
Von vielen wurde die Stimmabgabe als Möglichkeit wahrgenommen, die anderen Parteien für ihre Politik der »Staatsräson« abzustrafen. Und im Nachgang zur Wahl wird der Erfolg der Linkspartei als Zeichen gedeutet, was alles möglich ist, wenn man als Politiker kein »zionistischer Propagandist« ist. Sekundärer und israelbezogener Antisemitismus können insbesondere seit dem 7. Oktober 2023 als Merkmale des linken Spektrums ausgemacht werden.
Die Linke wurde anschlussfähig, auch und gerade für antisemitische Überzeugungen innerhalb der muslimischen Gemeinschaft. Die Parallelgesellschaften, die man früher als Herausforderung ausschließlich in migrantischen Milieus verortet hat, sind seit Sonntag so stark wie nie zuvor im Bundestag vertreten – in beiden Flügeln des Hohen Hauses.
Gerade die Linke, die zuletzt für Demokratie auf die Straße ging, sollte aber nicht ignorieren, dass Judenhass kein gutes Fundament für »internationale Solidarität« ist.
Der Autor ist Jurist, Publizist und Mitbegründer der Alhambra-Gesellschaft.