Volker Beck

Mit Christchurch für den Islamismus?

Volker Beck Foto: Marco Limberg

Weltweit verurteilen Vertreter aus Politik und Religion den muslimfeindlichen Terrorakt in Christchurch. Der Anschlag führte der Welt vor Augen, welche mörderischen Folgen Islamfeindlichkeit, Stereotypisierungen von Muslimen und Hass haben können. »Das ist ein Anschlag, der gegen Muslime gerichtet ist. Er ist damit auch ein Anschlag auf die neuseeländische Demokratie und auf die offene und tolerante Gesellschaft«, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Auch der Papst versicherte der muslimischen Gemeinde seine Solidarität.

Der Imam der Moschee von Christchurch, Gamul Fouda, setzte dem grauenvollen Terrorakt eine Botschaft des Friedens und des Miteinanders entgegen. In Deutschland traf er Vertreter von Politik und Religionsgemeinschaften. Das European Muslim Forum (EMF) hatte ihn am 30. März nach Hamburg eingeladen.

thinktank Neben ihm und dem EMF-Vorsitzenden sprachen Tarek Baé, Berliner Mitarbeiter des AKP-nahen Thinktank SETA, sowie Murat Gül, der Präsident der Islamischen Föderation Berlin, die als Berliner Landesverband der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) gilt und Mitglied im Islamrat ist.

Der EMF-Vorsitzende Abdul-Khaled Niyazov und Murat Gül begleiteten den neuseeländischen Imam anschließend werbewirksam auf einer Besuchsreise durch die Berliner Politik. Man traf sich mit dem Religionsfreiheitsbeauftragten der Bundesregierung, mit Abgeordneten aus Bundestag und Berliner Abgeordnetenhaus, darunter Martin Schulz und dem Berliner SPD-Fraktionsvorsitzenden Raed Saleh. Begegnungen mit dem Vorsitzenden des Islamrats und des Zentralrats der Muslime rundeten das Programm ab.

MUSLIMBRÜDER Aber wer verbirgt sich hinter dem EMF, von dem nach Informationen des Berliner »Tagesspiegel« Sicherheitskreise eine Nähe zur Muslimbrüderschaft vermuten?  Der Verein ist jung und will eine paneuropäische muslimische Plattform bilden. Er hat sich am 8. Oktober 2018 gegründet und rühmt sich, dass man in der Anfangsphase unter anderem den tschetschenischen Präsidenten Ramzan Kadyrov traf, unter dessen Herrschaft Hunderte Homosexuelle gefoltert wurden.

Der Vorsitzende des European Muslim Forum feiert auf Facebook das Sultanat Brunei für seine Gesetze gegen Homosexuelle.

EMF-Vorsitzender Niyazov ist eine schillernde Figur: Er ist russischer Unternehmer, erklärter Erdogan- und Putin-Fan und ehemaliges Mitglied der russischen Staatsduma. Auf seiner Facebook-Seite präsentiert er sich stolz mit dem früheren libyschen Staatschef Gadafi, mit seinem »Lehrer und Mentor« Erbakan, Begründer der Milli-Görüs-Bewegung – und mit Erdogan, Erdogan und nochmals Erdogan.

Dort lässt Niyazov auch das Sultanat Brunei für seine neue Homosexuellengesetzgebung feiern. Die einzige Kritik, die seine Facebook-Freunde am Lob der Schwulenfeindlichkeit vorbringen: Steinigung sei keine Scharia-konforme Bestrafung der Homosexualität, dafür sei Vom-Turm-Werfen vorgesehen. Auch zum Terrorakt vom 11. September in den USA verbreitete der EMF-Vorsitzende antizionistische Verschwörungstheorien und machte Israel dafür verantwortlich.

Sieht man sich das Treiben an, liegt der Verdacht nahe, dass mit der Einladung des neuseeländischen Imams das ehrliche Entsetzen über das Attentat von Christchurch als Türöffner für eine dubiose Organisation mit islamistischer Ausrichtung und eurasischer politischer Agenda missbraucht wurde.

KLARHEIT Hier muss Klarheit geschaffen werden, auch von den Vertretern der deutschen islamischen Organisationen, die Teil des Besuchsbegleitprogramms waren. Die Islamische Föderation Berlin erteilt Religionsunterricht an Berliner Schulen. Und der Islamrat klagt gemeinsam mit dem Zentralrat der Muslime gegen das Land Nordrhein-Westfalen auf Anerkennung als Religionsgemeinschaft.

Man darf erwarten, dass diese islamischen Organisationen Stellung zu ihren Verbindungen zum EMF und zu den Positionen ihres Vorsitzenden beziehen. Mit Homophobie und Antisemitismus kann man Islamfeindlichkeit nämlich nicht bekämpfen.

Volker Beck ist Lehrbeauftragter am Centrum für religionswissenschaftliche Studien (CERES) an der Ruhr-Universität Bochum.

Meinung

Gefährliche Allianz von Feminismus und Antisemitismus

In Lausanne galt auf der Kundgebung zum Weltfrauentag: Jüdinnen sind nicht willkommen. Das ist weder emanzipatorisch noch feministisch

von Nicole Dreyfus  13.03.2025

Daniel Neumann

Darmstadt: Diesmal ließ die Kirche Taten folgen

Nach dem antisemitischen Eklat in der Michaelsgemeinde greift die Evangelische Landeskirche entschlossen durch. Das verdient Anerkennung

von Daniel Neumann  12.03.2025

Meinung

Die stärksten Menschen der Welt

Die ehemaligen Geiseln Eli Sharabi und Yarden Bibas sind durch die Hölle gegangen. Kaum sind sie frei, setzen sie sich unermüdlich für die Rückkehr ihrer »Brüder und Schwestern« ein

von Sabine Brandes  12.03.2025

Purim

An Purim wird »We will dance again« wahr

Das Fest zeigt, dass der jüdische Lebenswille ungebrochen ist – trotz der Massaker vom 7. Oktober

von Ruben Gerczikow  12.03.2025

Meinung

Die Gewalt in Syrien war absehbar

Islamisten tun, was sie immer getan haben: massakrieren, verstümmeln, unterdrücken

von Ninve Ermagan  11.03.2025

Meinung

Warum wir über Antisemitismus unter Syrern sprechen müssen

Immer wieder fallen syrische Geflüchtete mit judenfeindlicher Gewalt auf. Um solche Taten zu verhindern, braucht es eine rationale Analyse

von Joshua Schultheis  11.03.2025

FDP

Duell der Silberrücken

Die möglichen Bewerber um eine Parteiführung der Liberalen, Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Wolfgang Kubicki, beziehen sehr unterschiedlich Position zu Israel

von Ralf Balke  06.03.2025

Kommentar

Harte Haltung gegen die Hamas

Dass US-Präsident Donald Trump sich mit freigelassenen Geiseln traf, ist mehr, als große Teile der israelischen Regierung tun

von Sabine Brandes  06.03.2025

Sophie Albers Ben Chamo

Wo sind deine Frauen, o Israel?

Die Zahl der Ministerinnen und weiblichen Knessetmitglieder ist auf einem Tiefstand. Der Internationale Frauentag wäre für Israel ein guter Zeitpunkt, nach seinen starken Frauen zu suchen

von Sophie Albers Ben Chamo  06.03.2025