Meinung

Menschenleben wiegen schwerer

Der Gefangenenaustausch mit Russland lässt den Westen schwach aussehen. Er war dennoch richtig

von Erica Zingher  06.08.2024 13:39 Uhr

Erica Zingher Foto: Stephan Cleef

Der Gefangenenaustausch mit Russland lässt den Westen schwach aussehen. Er war dennoch richtig

von Erica Zingher  06.08.2024 13:39 Uhr

Es bleibt ein bitterer Beigeschmack. Zwar konnten vergangene Woche bei einem Gefangenenaustausch 16 politische Gefangene und Geiseln aus Russland und Belarus befreit werden. Doch dafür wurde unter anderem der in Berlin zu lebenslanger Haft verurteilte Mörder Wadim Krassikow freigelassen. Deutschland hat sich damit auf die Bedingungen von Russlands Präsident Putin eingelassen.

In dessen Straflagern bleiben Hunderte weitere zu Unrecht Verurteilte zurück. Der russische Oppositionelle Ilja Jaschin zählte nach seiner Freilassung in Bonn auf, wer dort an seiner Stelle hätte sitzen müssen: die Menschenrechtsaktivisten Igor Barischnikow und Michail Kriger oder die Journalistin Maria Ponomarenko.

Ein Staat ist für seine Bürger verantwortlich und hat die moralische Pflicht, sie zu schützen.

Und doch hat Bundeskanzler Olaf Scholz mit dem Deal die richtige Entscheidung getroffen. Denn sie hat Leben gerettet. Immer wieder war es für demokratische Länder notwendig, mit Autokraten, Diktatoren oder gar Terroristen zu verhandeln. Auch Israel hat nach der Entführung des Soldaten Gilad Schalit im Jahr 2006 den Gesprächskanal zur Hamas so lange offen gehalten, bis er im Oktober 2011 endlich ausgetauscht werden konnte. Der Preis für seine Freilassung: 1027 palästinensische Gefangene.

Auch die am 7. Oktober von der Hamas entführten und im November durch einen Deal befreiten Menschen hätten wohl nie eine Chance auf Rückkehr gehabt, hätte Israel nicht Zugeständnisse gemacht. Ein ähnliches Abkommen braucht es endlich auch für die Geiseln, die noch immer in Gaza gefangen gehalten werden.

Was wiegt in so einem Fall mehr? Dass sich der Rechtsstaat erpressbar macht oder das Leben von Menschen? Ein Staat ist für seine Bürger verantwortlich und hat die moralische Pflicht, sie zu schützen. Sicher, es war keine leichte Entscheidung, die Deutschland fällen musste. Es bleibt ein Dilemma. Aber 16 Menschen wurde damit eine Perspektive und die Möglichkeit zurückgegeben, die eigene Zukunft wieder selbst zu gestalten. Dafür lohnt es sich, auch mal schwach zu wirken.

Die Autorin ist Journalistin und schreibt eine regelmäßige Kolumne für die »taz«.

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