Leider kann ich keinen Rückgang des Antisemitismus beobachten, wie es jüngst an dieser Stelle von Michael Fürst für das Bundesland Niedersachsen festgestellt wurde. Stattdessen sehe ich sein Anwachsen, das einhergeht mit einer Zunahme des Nationalismus in Europa. Wir müssen jede Form des Hasses auf Juden bekämpfen, und als seine aktuell gefährlichste Form mache ich den israelbezogenen Antisemitismus, ja, die Infragestellung des jüdischen Staates aus.
DEFINITION Das begründet auch, warum antisemitische Vorfälle erfasst werden müssen. Gewiss ist es richtig, dass Aufgaben von Meldestellen derzeit noch sehr unterschiedlich verstanden werden. Eine breite Diskussion in und mit den Landesverbänden fehlt bislang.
Ich sehe ein Anwachsen des
Antisemitismus, das einhergeht mit einer Zunahme des Nationalismus in Europa.
In Thüringen registriert der Landesverband antisemitische Vorfälle, die hier geschehen – gleich, ob sie uns von Mitgliedern oder der Polizei gemeldet werden. Dafür gibt es Formulare, die wir zurzeit in Thüringen weiterleiten und künftig an die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) geben.
AUSWERTUNG Mag also sein, dass eine Meldestelle nur für eine Stadt, etwa Hannover, nicht erforderlich ist, die Dokumentation und Auswertung der sehr unterschiedlichen Vorfälle ist es sehr wohl. Sie hilft uns nämlich auch auf Landesebene, die Veränderung von Form und Inhalt der antisemitischen Vorfälle zu erkennen und Schlussfolgerungen zu ziehen.
Wir brauchen eine Diskussion über den Umgang mit diesen Vorfällen. Daher bin ich dankbar, dass der provokante Kommentar von Michael Fürst eine solche Debatte anschiebt. Und nicht einmal seine Warnung vor Aktionismus und Alarmismus möchte ich strikt zurückweisen. Aber Meldestellen brauchen wir sehr wohl, schon um herauszufinden, ob die These vom Rückgang des Antisemitismus richtig ist.
Der Autor ist Vorsitzender der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen.