»Bringen Sie den Kuchen mit?« oder »Wer passt eigentlich auf Ihre Kinder auf, während Sie mit uns im Meeting sitzen?« – für die Mehrheit der berufstätigen Frauen klingen diese Fragen nicht überraschend, denn viele von ihnen mögen vergleichbare Situationen erlebt haben. In diesem Fall stammen die Berichte von Sara Winkowski und Wendy Kahn.
Beide Frauen haben Ämter in der jüdischen Gemeinschaft übernommen. Wendy Kahn ist Geschäftsführerin des South African Jewish Board of Deputies, Sara Winkowski ist eine Vizepräsidentin des Jüdischen Weltkongresses (WJC) und war die erste Vizepräsidentin der jüdischen Gemeinschaft in Uruguay.
Ihr Erfahrungsaustausch war Teil eines Seminars des WJC Jewish Diplomatic Corps, einem internationalen Netzwerk jüdischer Professionals. Engagierte Mitglieder des Netzwerks haben 2020 eine Taskforce zur Repräsentation von Frauen in jüdischen Organisationen gegründet. Bereits 2016 hatte die Co-Koordinatorin der heutigen Taskforce, Déborah Lichentin, kritisiert, dass bei einer Konferenz nur etwa 20 Prozent der Panelisten weiblich waren.
DEBATTE Die Themen Diversität, Repräsentation sowie Zugänge zu Positionen und Ressourcen prägen nicht nur in Deutschland die gesellschaftliche Debatte. Auch in der jüdischen Welt rücken diese Fragen zunehmend in den Fokus. Denn nur zehn Prozent der Vorsitzenden von nationalen jüdischen Dachverbänden sind Frauen. In zahlreichen Gemeindevorständen und -gremien sind wenige bis keine Frauen vertreten. Die Gründe sind vielschichtig. Häufig sind es die Strukturen, die Kultur oder die bestehenden Netzwerke, die erschweren, dass Frauen sich in gleichem Maße einbringen wie Männer. Dabei gibt es viele Frauen, die sich gern engagieren würden.
Der Jüdische Weltkongress hat die Repräsentation von Frauen auf seine Agenda gesetzt. Drei wichtige Maßnahmen wurden bereits ergriffen: Erstens hat der WJC Marie van der Zyl, die Präsidentin des Board of Deputies of British Jews, zur Beauftragten für Geschlechtergerechtigkeit und Inklusion ernannt. Zweitens verabschiedete die Generalversammlung 2021 eine Resolution zu Einheit und Inklusivität in der jüdischen Führung. Dazu zählt drittens auch der Hinweis auf ein »Panel Pledge«, um die Sichtbarkeit und die Beteiligung von weiblichen Führungskräften in Foren zu erhöhen.
In erster Linie müssen Hindernisse abgebaut und Strukturen aufgebaut werden, die Geschlechtergerechtigkeit und Diversität ermöglichen.
Das »Panel Pledge« sieht eine Teilnahme an Podien nur dann vor, wenn eine ausgewogene Beteiligung der Geschlechter gewährleistet ist. Ist das nicht der Fall, sollten geeignete Frauen vorgeschlagen werden. In letzter Konsequenz kann die eigene Teilnahme an der Gesprächsrunde abgesagt werden.
ZUGANG Was kann also getan werden, um den Zugang von Frauen zu Führungspositionen in der jüdischen Welt zu erleichtern? In erster Linie müssen Hindernisse abgebaut und Strukturen aufgebaut werden, die Geschlechtergerechtigkeit und Diversität ermöglichen. Das beinhaltet, bestehende Denkmuster und Arbeitsweisen zu reflektieren und zu ändern. Dazu wiederum bedarf es eines Wandels hin zu einer Kultur, in der Gleichberechtigung, Diversität und Inklusion möglich und gewünscht sind. Für Frauen bedeutet mehr Teilhabe auch: Netzwerke knüpfen, sich über bewährte Methoden austauschen und sich empowern – sei es durch Weiterbildung, Coaching oder Mentoring.
Frauen machen die Hälfte der Bevölkerung aus. Warum also sollten sie nicht in gleichem Maße Ämter innehaben und mitentscheiden? Der Kuchen wird nicht kleiner, nur weil man ihn teilt. Und übrigens: Es sollten nicht immer die Frauen sein, die den Kuchen backen und mitbringen. Denn Kuchen kann man(n) auch kaufen.
Die Autorin ist Politologin und Mitglied des World Jewish Congress (WJC) Jewish Diplomatic Corps.