Mit Emmanuel Macron hat in der Stichwahl gegen Marine Le Pen nicht nur die Rechte verloren, sondern die pro-ukrainische Richtung gewonnen. Dabei war der Amtsinhaber noch bis zum vergangenen Herbst eher zögerlich und zaudernd, wenn es um den Ukraine-Konflikt ging.
Erst nach dem Abtritt Angela Merkels als Bundeskanzlerin, die in den Normandie-Gesprächen mit Russland, Frankreich und der Ukraine sehr aktiv gewesen war, verstärkte Macron sein Engagement. Nach der ersten Wahlrunde verkündete er nun sogar die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine.
entschlossenheit Die Wähler haben dies bei der Stichwahl gewürdigt. Ich will damit nicht sagen, dass es diese Haltung Macrons war, die seinen klaren Wahlsieg ermöglicht hat. Aber sie hat sicher dazu beigetragen. Der Schlüssel zur Unterstützung europäischer Politiker durch ihre Bevölkerung liegt auch in ihrer Entschlossenheit, nicht nur mit Worten, sondern vor allem mit Taten Russland einzudämmen und die Ukraine zu unterstützen.
Europäische Beobachter sollten aufhören, vom ukrainischen Rechtsradikalismus zu schwadronieren.
Das vergleichsweise erfolgreiche Abschneiden Le Pens ist dennoch bemerkenswert. Auch wenn sie ihre Rhetorik abgeschwächt haben mag – es bleibt eine Tatsache, dass 41 Prozent der Wähler für eine Vertreterin der extremen Rechten stimmten. Viele in Westeuropa – in Frankreich und vielleicht noch mehr in Deutschland – hatten Vorurteile gegenüber der Ukraine wegen angeblicher rechtsextremer Einstellungen dort. Teils wegen der russischen Rhetorik, teils wegen einer besonderen Sensibilität bei dem Thema, fragten sich viele: Vielleicht ist ja doch was dran an Putins Propaganda von der »Entnazifizierung«?
Dabei bekam bei der letzten Präsidentschaftswahl in der Ukraine Ruslan Koshulinsky, der einzige Kandidat, der mit Le Pen vergleichbar ist, gerade einmal 1,6 Prozent der Stimmen. Selbst zu ihren besten Zeiten, vor zehn Jahren, konnten ukrainische Rechtsextreme nicht von Wahlergebnissen träumen, wie sie für ihre Gesinnungsgenossen in Westeuropa heute üblich sind. Europäische Beobachter sollten deshalb aufhören, vom ukrainischen Rechtsradikalismus zu schwadronieren.
Der Autor ist Journalist in Kiew.