Wir kennen das: Man wählt eine Nummer, um sich in einer bestimmten Angelegenheit zu informieren, und landet bei einer Automatenstimme, die mehrere Wahlmöglichkeiten zum Weiterverbinden anbietet. Im besten Fall wird unter »Vier« die Durchwahl zu realen Mitarbeitern angeboten. Manchmal hilft beharrliches Schweigen oder Nuscheln – woraufhin die Automatenstimme sagt: »Wir haben Sie nicht verstanden«, um reale Menschlichkeit zu erreichen.
Das ist im Berliner Technikmuseum nicht möglich. Das Bild und die Stimme von Anita Lasker-Wallfisch bleiben dort eine virtuelle Illusion. Tatsächlich hat die Auschwitz-Überlebende in langen Sitzungen auf 1000 Fragen geantwortet. Aus diesem Fundus wählt eine Software die »richtige« Antwort auf die Fragen der Museumsbesucher aus.
KRITIK In Zusammenarbeit mit der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) und dem Technikmuseum will die USC Shoah Foundation das Zeugnis der Überlebenden auf diese Art und Weise für die Zukunft sichern. Für die Testphase hat man vor allem Schulklassen der Mittelstufe im Blick. Die Reaktion der Schülerinnen und Schüler wird in die Bewertung einfließen.
Es ist richtig, für die Zukunft der Erinnerung neue Wege zu gehen. Manche sollte man aber nicht weitergehen. Schon in der Vergangenheit hat die auch als »Spielberg Foundation« bekannte Stiftung mit standardisierten Interviewschemata für Kritik gesorgt.
Offensichtlich trauen die Erinnerungsmediatoren den gedruckten und aufgezeichneten Zeugnissen nicht mehr.
Doch das Problem mit dem Berliner Projekt reicht tiefer. Offensichtlich trauen die Erinnerungsmediatoren den gedruckten und aufgezeichneten Zeugnissen nicht mehr. »Die Person ist mehr als nur auf dem Screen anwesend«, sagt der stellvertretende Museumsleiter Joseph Hoppe.
Korrektur: Sie wird anwesend gemacht. Sie kann nicht eingreifen, kann das Gespräch nicht spontan lenken, verfügt nicht mehr über ihre Geschichte. Die 1001. Frage muss ohne Antwort bleiben.
Der Autor ist Rektor der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg.