Die Jüdische Allgemeine berichtete Ende März über die Anfeindungen »propalästinensischer« Aktivisten im baden-württembergischen Langenau, denen der evangelische Pfarrer Ralf Sedlak, seine Kollegin und seine Gemeinde ausgesetzt sind. Seit Frühjahr 2024 stehen fast jeden Sonntag nach dem Gottesdienst vor der Martinskirche Aktivisten mit Plakaten, auf denen Parolen gegen Israel wie »Kolonialer Siedler Schurkenstaat« zu lesen sind. Zudem wurden Gottesdienstbesucher beschimpft und am Gemeindehaus Sticker mit der Inschrift »Zionist, Faschist« angebracht.
In einem Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen Anfang März hatte die Bürgermeisterin von Langenau, Daria Henning (CDU), angekündigt, »in den nächsten Wochen« werde »etwas Konkretes« passieren, »im Rahmen einer Allgemeinverfügung oder eines Aufenthaltsverbotes«. Nachdem bisher nichts passiert ist, meldet sich Ernst-Wilhelm Gohl, Landesbischof der Evangelischen Landeskirche Württemberg, zu Wort. Wir dokumentieren seinen Kommentar.
»An vielen Stellen in Deutschland zeigt sich offen ein eliminatorischer Antisemitismus«
Die Vorkommnisse in Langenau beschäftigen die Evangelische Landeskirche in Württemberg auf allen Ebenen und sind ein Grund zu großer Sorge. Rote Linien wurden schon längst und wiederholt überschritten. Dabei ist mir bewusst, dass Langenau kein Einzelfall ist. An vielen Stellen in Deutschland zeigt sich offen ein eliminatorischer Antisemitismus, den ich so nicht für möglich gehalten hätte.
Als Landeskirche nehmen wir die Vorgänge und Vorfälle sehr ernst. Wir versuchen, den bedrängten Pfarrpersonen und der Kirchengemeinde beizustehen. Wir sichern ihnen unsere tatkräftige Hilfe zu, wenn sie in unerträglicher Weise beschimpft, beleidigt und eingeschüchtert werden.
»An vielen Stellen in Deutschland zeigt sich offen ein eliminatorischer Antisemitismus, den ich so nicht für möglich gehalten hätte.«
Bei einem Gespräch vor Ort in Langenau mit der Bürgermeisterin, Vertretern und Vertreterinnen des Gemeinderats, Vertretern und Vertreterinnen des Landtags, der Kirchen, der Polizei und Justiz, zu dem Michael Blume, der Beauftragte der Landesregierung gegen Antisemitismus eingeladen hatte, weckte der Polizeipräsident die Hoffnung, dass endlich von Seiten der Stadt eine Allgemeinverfügung erlassen werden würde. Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Bis heute ist die Kommune nicht in der Lage oder nicht willens, eine solche zu erlassen.
Viele kirchliche und staatliche Stellen sind mit den Vorgängen in Langenau befasst, ohne dass sich die Situation entspannt hätte. Das verstärkt das Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit.
»Bis heute ist die Kommune nicht in der Lage oder nicht willens, eine Allgemeinverfügung zu erlassen.«
Im Namen der Landeskirche appelliere ich an den Gemeinderat in Langenau, zu einer klaren Haltung zu finden, die Allgemeinverfügung zu erlassen und unsere Gemeindeglieder sowie unsere Pfarrpersonen endlich vor weiteren Übergriffen und Anfeindungen zu schützen.
Antisemitismus – das lässt sich an Langenau zeigen – ist kein »jüdisches Problem«, sondern betrifft alle Menschen. Die Evangelische Landeskirche in Württemberg steht an der Seite der jüdischen Gemeinden und ihrer Mitglieder im Wissen, dass diese Wurzel auch uns als christliche Gemeinde trägt.