Wenn ich morgens aufwache, brauche ich Zeit, um mich zu erinnern, dass wir mittendrin in der Katastrophe sind: keine Konzerte mehr, ein Dutzend Mitarbeiter, eine Büromiete, laufende Kosten und kein Einkommen mehr. Nichts mehr.
Dennoch will sich keine Angst bei mir einstellen. Sorgen ja, aber Angst? Meine Großmutter, geflohen, versteckt, für immer emigriert, pflegte zu sagen: »Du willst nicht alles erleiden, was du ertragen könntest.« Das hilft mir gerade sehr, und ich bleibe dankbar.
SCHLEUDERGANG Würde morgen alles wieder losgehen, wäre es »nur« ein Albtraum gewesen. Bis Konzerte wieder stattfinden – und zwar solche, bei denen genügend Karten verkauft werden, um die Kosten zu tragen –, bis die Künstler anständig bezahlt werden – und in der Folge dann wir Agenten –, wird noch viel Zeit vergehen.
Fliegen dann die Flugzeuge? Gibt es dann noch Hotels? Und will noch jemand eine Konzertkarte kaufen? Die Krise hat uns kalt erwischt, mitten im Flug. Wie wird unsere schöne Musikwelt nach dem Schleudergang der höchsten Stufe aussehen? Total zerknittert! Wird man sie wieder glattbügeln können? Wollen wir sie überhaupt wieder so haben wie vorher?
Der Ruf nach dem Staat zeigt, dass wir offenbar schlechte Zeiten in unserem Plan nicht vorgesehen haben.
Nach sechs Wochen wächst auch bei den Künstlern, die zunächst noch entspannt warten konnten und das (erzwungene) Sabbatical bejubelten, das sie sich und ihren Nächsten schon seit Jahren versprachen, die reine existenzielle Sorge und vor allem die verrückte Angst, dass sie vielleicht nie mehr vor einem lebendigen Publikum spielen werden. Seit sie denken können, drehte sich alles darum, alles andere hintangestellt, und nun?
GELD Ja, es braucht jetzt unmittelbare Hilfe (sprich Hilfsgelder) für die Künstler und die Umgebung, die die Konzerte erst ermöglichen, aber noch dringender braucht es eine Vision, wie wir uns die Zukunft vorstellen wollen.
»Gib mir eine Chance, kauf dir ein Los!« Der Ruf nach dem Staat zeigt, dass wir offenbar schlechte Zeiten in unserem Plan nicht vorgesehen haben.
Der Staat ist keine abstrakte Person – wir zusammen bilden den Staat, und es liegt demnach auch an uns, dafür zu sorgen, dass Bildung, Kunst und Kultur als das behandelt werden, was sie sind: ein essenzieller Teil unserer täglichen Ernährung. Wichtig wie Wasser und Luft.
Die Autorin ist Inhaberin der Berliner Konzertagentur Impresariat Simmenauer.