Jetzt sind die Hüllen gefallen. Mit dem kürzlich veröffentlichten Aufruf »Strike Germany« liegt das Manifest eines in Teilen von Kopf bis Fuß auf Palästina eingestellten Kunst- und Kulturbetriebs vor. »Es ist ein Aufruf, die McCarthyistischen Maßnahmen deutscher Kultureinrichtungen zurückzuweisen, die die freie Meinungsäußerung einschränken, insbesondere den Ausdruck von Solidarität mit Palästina«, heißt es in dem Schreiben.
Der Aufruf richtet sich »in erster Linie an internationale Kulturarbeiter*innen, die zu Ausstellungen, Festivals und Panels in deutsche Kultureinrichtungen eingeladen werden« und trägt bisher rund 650 Unterschriften vor allem von internationalen Künstlern und Vertretern des Kulturbetriebs.
Der in den Farben der palästinensischen Flagge gestaltete Aufruf bringt die »Greatest Hits« der Kulturkriege um Antisemitismus, BDS und Israelhass zusammen.
Der in den Farben der palästinensischen Flagge gestaltete Aufruf bringt die »Greatest Hits« der jüngsten Kulturkriege um Antisemitismus, BDS und Israelhass zusammen: Kritik an Israel werde in Deutschland mundtot gemacht, ebenso »die* jüdisch-amerikanische Publizist*in Masha Gessen«. Die Rede ist von »Entlassungen, Absagen« und »offener Zensur«. Auch die Anti-BDS-Resolution des Bundestages findet Erwähnung, die dafür sorge, »dass es in Deutschland keinen Raum für Solidarität mit Palästina gibt«.
Keinerlei Erwähnung findet in dem 8000 Zeichen langen Aufruf bezeichnenderweise die Hamas. Die Tastaturen der Offene-Briefe-und-Aufrufe-Schreiber scheinen da einen eigentümlichen Defekt zu haben. Das Wort »Massaker« wird unterdessen lediglich in Bezug auf Israels Verteidigungskrieg gegen die islamistische Terrororganisation verwendet, der in der Sprache der unterzeichnenden »Kulturarbeiter*innen« als »genozidale Militäraktion im Gazastreifen« bezeichnet wird.
Das Wort »Massaker« wird lediglich in Bezug auf Israels Verteidigungskrieg gegen die islamistische Terrororganisation Hamas verwendet.
Spätestens nach diesem Aufruf sollte ein Wörterbuch für Palästina-Pamphlete verlegt werden. Damit ließe sich ein Satz wie »Strike Germany ist ein Streik gegen anti-palästinensischen Rassismus und Zensur« in etwa so übersetzen: »Strike Germany« ist das Dokument einer radikalisierten Anti-Israel-Obsession und der traurige Kulminationspunkt einer ideologischen Verblendung.
Noch trägt der Streikaufruf vergleichsweise wenige Unterschriften, noch sind die darauf enthaltenen Namen zu unbekannt oder zu notorisch (Lawrence Abu Hamdan, Annie Ernaux). Während der documenta fifteen hieß der Schlachtruf der künstlerischen Palästinafraktion noch »We need to talk«. Keine zwei Jahre, eine brutale Terrorattacke und mehrere infame Schriftstücke später muss man feststellen: Es gibt nichts mehr zu besprechen.