Martin Krauss

Köln und die Kippa im Nahverkehr

Sind Juden nur dann in der Zivilgesellschaft gelitten, wenn sie als etwas Fremdes wahrgenommen werden?

von Martin Krauss  11.04.2019 08:31 Uhr

Martin Krauss Foto: Stephan Pramme

Sind Juden nur dann in der Zivilgesellschaft gelitten, wenn sie als etwas Fremdes wahrgenommen werden?

von Martin Krauss  11.04.2019 08:31 Uhr

Vor etlichen Jahren war ein orthodoxer Rabbiner ausgerechnet am Rosenmontag in Köln am Hauptbahnhof angekommen. Als er mit seinem schwarzen Mantel, seinem Bart und seinem Hut den Weg quer durch die Menge der kostümierten und alkoholisierten Menschen suchte, sprach ihn ein Karnevalist direkt an: »Gehst du als Jude, oder was?«

Die Geschichte, deren Wahrheitsgehalt als hoch gelten kann, könnte helfen, die Feindseligkeit zu verstehen, mit der jüngst dem Kölner Gemeinderabbiner Yechiel Brukner begegnet wurde. Der hatte nichts anderes gemacht, als ein paar Stationen mit Bus und U-Bahn zu fahren; da wurde er beleidigt und angepöbelt.

NAHVERKEHR Wie geht das zusammen? Auf der einen Seite die rheinische Begeisterung, dass es in Düsseldorf einen jüdischen Rosenmontagswagen und in Köln einen jüdischen Karnevalsverein gibt – und auf der anderen die Beleidigungen des Rabbiners? Allgemeiner gefragt: Ist das Judentum, sind die Juden nun in der Zivilgesellschaft angekommen, wenn sie bei einem Fest der Mehrheitsgesellschaft wie dem Karneval mittun? Oder haben sie nicht einmal im öffentlichen Nahverkehr Platz?

Folklore ist gern gesehen. Das
unterscheidet Karneval nicht von Kulturwochen oder Klezmerkonzerten.

Die Antwort fällt leider nicht schwer, sie lautet: Beides ist richtig. Selbstverständlich sind nämlich Juden gern gesehen, wenn sie ihre Religion als etwas Exotisches darbieten und sich selbst folkloristisch inszenieren. Das unterscheidet Karneval nicht allzusehr von Kulturwochen oder Klezmerkonzerten. Dann sind Juden willkommen.

KULTUR Aber diese Willkommenskultur wird exakt dann brüchig, wenn sich Juden gerade nicht als Fremde mit einer ebenso fremden Kultur präsentieren, sondern wenn sie schlicht normal sind. Wenn sie etwa, um ein sehr aktuelles Kölner Beispiel zu nennen, einfach mal mit der U-Bahn fahren.

Vermutlich kann Rabbiner Brukner nur in der sogenannten Fünften Jahreszeit Busse und Bahnen benutzen. Denn dann gilt er ja als Normaler, der sich als Jude verkleidet hat.

Gastkommentar

Antisemitismus: Lücken im Strafrecht schließen!

Im Kampf gegen Judenhass darf es nicht bei rechtlich unverbindlichen Appellen bleiben

von Volker Beck  23.12.2024

Meinung

Der AfD-Claqueur

Elon Musk hat sich als Unterstützer der AfD geoutet. Das sollte seinen Anhängern in Deutschland eine Warnung sein

von Michael Thaidigsmann  20.12.2024

Meinung

Der PEN Berlin und die Feinde Israels

In der Schriftstellervereinigung konnte eine Resolution BDS-naher Autoren gerade noch abgewendet werden. Alles gut also? Nicht wirklich

von Lorenz S. Beckhardt  20.12.2024

Glosse

Kniefall 2.0

Ist Markus Söder jetzt alles Wurst oder erfüllt er nur die Erwartungen der jüdischen Gemeinschaft?

von Michael Thaidigsmann  19.12.2024

Tobias Kühn

Glühwein und Judenhass

Nach einem »Antikolonialen Friedensweihnachtsmarkt« in den Räumen einer Darmstädter Kirchengemeinde sollten die Bischöfe Klartext reden

von Tobias Kühn  18.12.2024

Sebastian Engelbrecht

Gaza und die Opferzahlen der Hamas

Die palästinensische Terrororganisation instrumentalisiert die Anzahl der Getöteten, um die politische Stimmung zu ihren Gunsten zu beeinflussen

von Sebastian Engelbrecht  17.12.2024

Daniel-Dylan Böhmer

Im Zweifel für die Sicherheit

Israels Angriffe auf Syrien waren trotz fehlender völkerrechtlicher Legitimation richtig, denn die Giftgasbestände im Land bedeuteten eine konkrete Gefahr für den jüdischen Staat

von Daniel-Dylan Böhmer  17.12.2024

Kommentar

Die UNRWA ist Teil des Problems - und nicht seine Lösung

Die UNRWA ist Geschichte. So wollte es eine breite Mehrheit in der Knesset. Dieser Schritt war überfällig, berechtigt - und dennoch falsch. Zumindest jetzt

von Georg M. Hafner  16.12.2024 Aktualisiert

Meinung

Wenn Social Media zur Gefahr für die Demokratie wird

Politik und Plattformbetreiber müssen konsequent gegen Desinformation und Hetze vorgehen

von Anna Staroselski  12.12.2024