Meinung

Koalitionsvertrag: Wenig drin für junge Jüdinnen und Juden

JSUD-Präsident Ron Dekel Foto: Gregor Matthias Zielke

Meinung

Koalitionsvertrag: Wenig drin für junge Jüdinnen und Juden

Der grassierende Antisemitismus an deutschen Hochschulen findet im Papier von Union und SPD kaum Beachtung. Eine verpasste Chance, kritisiert der Präsident der Jüdischen Studierendenunion

von Ron Dekel  10.04.2025 17:48 Uhr

Im Koalitionsvertrag von Union und SPD findet sich das Wort »Antisemitismus« achtmal. Es wird unter anderem im Kontext von Medien und Demokratiebildung erwähnt – zweifellos wichtige Themen. Doch die Situation junger Jüdinnen und Juden an Hochschulen bleibt weitgehend unbeachtet. Der Vertrag enthält hierzu lediglich sehr allgemeine Formulierungen, wie etwa: »Rassismus, Antisemitismus und Israelfeindlichkeit haben keinen Platz an Schulen und Hochschulen.« Mit dieser Aussage werden jedoch weder die spezifischen Probleme an Universitäten benannt noch Maßnahmen vorgegeben, um diesen entgegenzuwirken.

Das ist besonders bedenklich vor dem Hintergrund aktueller Ereignisse: In Berlin hat diese Woche der Prozess im Fall Lahav Shapira begonnen, der aufgrund seiner jüdischen Identität und seines proisraelischen Aktivismus von einem Kommilitonen brutal zusammengeschlagen wurde. An der Universität München wurden mutmaßliche Hamas-Mitglieder zu einem sogenannten propalästinensischen Protestcamp eingeladen. An den Universitäten in Hamburg wiederum wurden die massenhaften Vergewaltigungen vom 7. Oktober 2023 durch die Hamas offen infrage gestellt.

Viele jüdische Studierende fühlen sich an deutschen Universitäten zunehmend unsicher.

Diese und zahlreiche weitere Vorfälle offenbaren die Dringlichkeit des Themas. Viele jüdische Studierende fühlen sich an deutschen Universitäten zunehmend unsicher oder meiden diese gleich ganz. Dabei mangelt es nicht an bereits bestehenden politischen Ansätzen. Mit der am 29. Januar auch mit den Stimmen der Unions- und der SPD-Fraktion im Bundestag angenommenen Resolution »Antisemitismus und Israelfeindlichkeit an Schulen und Hochschulen« liegen konkrete und umsetzbare Vorschläge für Maßnahmen gegen Juden- und Israelhass im Bildungsbereich vor. Es wäre daher naheliegend gewesen, dass sich die künftige Koalition an dieser Resolution orientiert.

Lesen Sie auch

Leider hat sie es nicht getan. Eine verpasste Chance! Angesichts dieses Versäumnisses lässt sich bezweifeln, ob der Titel des Vertrags – »Verantwortung für Deutschland« – auch für junge jüdische Menschen Gültigkeit beanspruchen kann.

Der Autor ist Präsident der Jüdischen Studierendenunion Deutschland (JSUD).

Meinung

Nur scheinbar ausgewogen

Die Berichte der Öffentlich-Rechtlichen über den Nahostkonflikt wie die von Sophie von der Tann sind oft einseitig und befördern ein falsches Bild von Israel

von Sarah Maria Sander  20.04.2025

Essay

Der verklärte Blick der Deutschen auf Israel

Hierzulande blenden viele Israels Vielfalt und seine Probleme gezielt aus. Das zeigt nicht zuletzt die Kontroverse um die Rede Omri Boehms in Buchenwald

von Zeev Avrahami  18.04.2025

Kommentar

Bis zuletzt wollte Mustafa A. aus Lahav Shapira einen Täter machen

Dem Täter tue es leid, dass sein Angriff »instrumentalisiert wird, um jüdischen Bürgern Angst einzuflößen«. Ein unverfrorener Satz

von Nils Kottmann  17.04.2025

Volker Beck

Den Kampf gegen Antisemitismus nicht vereinnahmen

US-Präsident Trump nimmt den Antisemitismus an der Harvard University zum Anlass für einen Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit und die Rechtsgleichheit für alle

von Volker Beck  16.04.2025

Lasse Schauder

Wer den Begriff »Islamismus« bannen will, ist politisch unmündig

Die Berliner Jusos haben beschlossen, aus Gründen der Sprachsensibilität künftig nicht mehr von »Islamismus« sprechen zu wollen. Das ist ein fatales Signal an Betroffene extremistischer Gewalt

von Lasse Schauder  16.04.2025

Eren Güvercin

Wo sind die Gelehrten, die der Fatwa gegen Israel widersprechen?

Ein ranghoher Geistlicher erklärt den Kampf gegen Israel zur Pflicht eines jeden Muslims. Kritik an diesem offenen Terroraufruf sucht man bei deutschen Islamverbänden vergeblich

von Eren Güvercin  16.04.2025

Essay

Warum ich stolz auf Israel bin

Das Land ist trotz der Massaker vom 7. Oktober 2023 nicht zusammengebrochen, sondern widerstandsfähig, hoffnungsvoll und vereint geblieben

von Alon David  15.04.2025 Aktualisiert

Joshua Schultheis

Im Krieg braucht es ein Korrektiv

Das israelische Militär will den verheerenden Angriff auf Krankenwagen in Gaza untersuchen. Es geht um viel: die Glaubwürdigkeit der Armee, Gerechtigkeit für die Toten und darum, sinnloses Leid künftig besser zu verhindern

von Joshua Schultheis  15.04.2025

Ernst-Wilhelm Gohl ist Landesbischof der evanglischen Landeskirche Württemberg

Antisemitische Anfeindungen

»Langenau ist kein Einzelfall«

Der Landesbischof von Württemberg fordert den Schutz von Pfarrern, die von »propalästinensischen« Aktivisten bedrängt werden

von Ernst-Wilhelm Gohl  14.04.2025