Eigentlich ist in Brüssel seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie alles etwas anders als sonst. Selbst das notorisch durchwachsene Wetter war in den letzten Wochen offenbar in Quarantäne: Es herrschte eitel Sonnenschein. Die EU-Politik hatte sich entschleunigt. Doch mit dem Ende des Lockdowns in Belgien wurde auch der Brüsseler Politbetrieb wieder hochgefahren.
PLAN Vor einigen Tagen wollten einige Abgeordnete im Europaparlament der israelischen Regierung eins auswischen. Anlass war das (nicht nur in Brüssel) sehr unpopuläre Vorhaben, Gebiete im Westjordanland zu annektieren. Die Schlussabstimmung über das EU-Luftverkehrsabkommen mit Israel sollte verschoben und die Ratifizierung damit ausgesetzt werden. Fast wäre der Plan aufgegangen.
Das Abkommen zum Flugverkehr befindet sich bereits seit 2013 in der Ratifizierung durch die EU-Mitgliedsstaaten. Es wird seitdem auch schon angewandt. Nur die formale Verabschiedung durch die EU-Parlamentarier stand noch aus. Eine Ablehnung oder Verschiebung hätte aus einem unkontroversen Thema sicher einen politischen Zankapfel erster Güteklasse gemacht und die Beziehungen zwischen Brüssel und Jerusalem verschlechtert.
Dass es dazu nicht kam, darf man getrost einem Mann zuschreiben, den selbst in seiner Heimat nur die wenigsten kennen werden: Israels EU-Botschafter Aharon Leshno-Yaar. Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen ist Leshno-Yaar ein Freund der leisen Töne. Statt Menschen per Tweet, Interview oder Pressemitteilung anzugreifen, wirbt er lieber im persönlichen Gespräch um Verbündete. Ein klassischer Diplomat eben.
ÜBERZEUGUNGSARBEIT Was von Israel oft als Hasbara oder »Public Diplomacy« bezeichnet wird, hat durchaus seine Berechtigung. Es ist gut, öffentlich auf grobe Fehlentwicklungen hinzuweisen und auch mal deutliche Kritik zu äußern. Im Fall des Luftverkehrsabkommens war es dennoch besser, dass die Diskussion unbemerkt von den Medien hinter verschlossenen Türen stattfand. So waren die Abgeordneten offener für Sachargumente.
Denn niemand sollte sich etwas vormachen: In den meisten EU-Staaten hätte eine Mehrheit der Bürger einen Protest an die Adresse Israels begrüßt. Und gewählte Abgeordnete lassen sich von Stimmungen beeinflussen – das ist in jeder Demokratie so.
Überzeugungsarbeit zu leisten und sich von Querschüssen nicht kirre machen zu lassen ist gar nicht so einfach. Die israelische Regierung sollte sich bei ihrem Botschafter bei der EU bedanken, dass er ihr ein wichtiges Abkommen gerettet und eine schwere Krise in den Beziehungen abgewendet hat.
Der Autor ist geschäftsführender Vizepräsident des Jüdischen Weltkongresses (WJC) und leitet seit 30 Jahren das Brüsseler WJC-Büro