Eugen El

Kinderleicht Deutsch lernen

Eugen El Foto: Marco Limberg

Als ich 1997 in die achte Klasse einer Gesamtschule im hessischen Städtchen Bad Soden-Salmünster kam, konnte ich kein Wort Deutsch. Vor unserer Auswanderung hatten wir in Minsk einen privaten Sprachkurs besucht. In vager Erinnerung blieb mir lediglich ein Lied mit dem Refrain »Ich bin Ausländer und spreche nicht gut Deutsch«. Damals konnte ich nicht einmal das aufsagen.

Heute bin ich 35 Jahre alt. Einige meiner jüdischen Freunde gründen gerade eine Familie. Es ist kein Geheimnis, dass sie ihre Kinder zweisprachig erziehen werden. Junge Eltern in meinem Freundeskreis legen Wert darauf, dass ihre Söhne und Töchter zuerst mit der (russischen) Muttersprache aufwachsen. So versuchen sie, einer allzu raschen Assimilation vorzubeugen. Womöglich werden einige dieser in Deutschland geborenen Kinder mit begrenzten Deutschkenntnissen in die Grundschule kommen. Muss ihre Einschulung deswegen verschoben werden, wie es ein CDU-Politiker kürzlich vorschlug?

Wie hätte mein Leben ausgesehen,
wenn ich 1997 erst einmal in eine »Vorschulklasse« gekommen wäre?

ABITUR Obwohl ich mit leichtem sprachlichen Gepäck nach Deutschland kam, musste ich keine Klasse wiederholen. Das habe ich einem engagierten Lehrer zu verdanken, der meine Eltern davon überzeugen konnte. Ich lernte Deutsch, machte Abitur, studierte und wurde schließlich Journalist.

Was mir mit einiger Mühe und nicht ohne Probleme gelang, schaffen Grundschulkinder im Handumdrehen. Wie ein Schwamm saugen sie die ihnen noch nicht vertraute (deutsche) Sprache auf. Ihr schulischer Erfolg hängt nicht von Herkunft und Muttersprache, sondern vom Engagement der Eltern und Lehrer ab.

Wie hätte mein Leben ausgesehen, wenn ich 1997 erst einmal in eine »Vorschulklasse« mit anderen Nicht-Muttersprachlern gekommen wäre? Sicher hätte dies meine Schullaufbahn gebremst. Vielleicht würde ich heute auf einer Parkbank sitzen, und das Einzige, was mir in den Kopf käme, wäre dieses eigenartige Lied: »Ich bin Ausländer und spreche nicht gut Deutsch, ich bin Ausländer und spreche nicht gut Deutsch. Bitte langsam, bitte langsam, bitte langsam, bitte langsam. Ich bin Ausländer und spreche nicht gut Deutsch …«

Der Autor ist freier Journalist in Frankfurt/Main.

Volker Beck

Christoph Heusgen: Ein außenpolitischer Bruchpilot

Die Kritik des Spitzendiplomaten an Israel ist niederträchtig – und seine eigene politische Bilanz verheerend

von Volker Beck  02.01.2025

Meinung

Wer jüdisches Leben wirklich schützt

Manche jüdische Einrichtungen setzen neben dem Polizeischutz auf eigenes Sicherheitspersonal – und das ist auch gut so

von Mascha Malburg  02.01.2025

Meinung

Der AfD-Claqueur

Elon Musk hat sich als Unterstützer der AfD geoutet. Das sollte seinen Anhängern in Deutschland eine Warnung sein

von Michael Thaidigsmann  28.12.2024 Aktualisiert

Gastkommentar

Antisemitismus: Lücken im Strafrecht schließen!

Im Kampf gegen Judenhass darf es nicht bei rechtlich unverbindlichen Appellen bleiben

von Volker Beck  23.12.2024

Meinung

Der PEN Berlin und die Feinde Israels

In der Schriftstellervereinigung konnte eine Resolution BDS-naher Autoren gerade noch abgewendet werden. Alles gut also? Nicht wirklich

von Lorenz S. Beckhardt  20.12.2024

Glosse

Kniefall 2.0

Ist Markus Söder jetzt alles Wurst oder erfüllt er nur die Erwartungen der jüdischen Gemeinschaft?

von Michael Thaidigsmann  19.12.2024

Tobias Kühn

Glühwein und Judenhass

Nach einem »Antikolonialen Friedensweihnachtsmarkt« in den Räumen einer Darmstädter Kirchengemeinde sollten die Bischöfe Klartext reden

von Tobias Kühn  18.12.2024

Sebastian Engelbrecht

Gaza und die Opferzahlen der Hamas

Die palästinensische Terrororganisation instrumentalisiert die Anzahl der Getöteten, um die politische Stimmung zu ihren Gunsten zu beeinflussen

von Sebastian Engelbrecht  17.12.2024

Daniel-Dylan Böhmer

Im Zweifel für die Sicherheit

Israels Angriffe auf Syrien waren trotz fehlender völkerrechtlicher Legitimation richtig, denn die Giftgasbestände im Land bedeuteten eine konkrete Gefahr für den jüdischen Staat

von Daniel-Dylan Böhmer  17.12.2024