Niemand kommt als Antisemit auf die Welt. Die Faktoren, die im Laufe der Sozialisation aus einzelnen Ressentiments ein geschlossen antisemitisches Weltbild werden lassen, sind umfangreich.
Eines ist aber klar: Wenn Antisemitismus erst einmal zum Weltbild geronnen ist, ist er für Bildungsprogramme nicht mehr erreichbar, sondern nur für Sanktion und Repression. Bis dahin muss politische Bildung Elementares leisten, mehr noch: Sie ist im Kinder- und Jugendalter der Schlüssel im Kampf gegen Antisemitismus.
SOZIALES LERNEN Eine zentrale Rolle hat dabei die Schule. Sie ist Zentrum der Wissensvermittlung und steht im Fokus für soziales Lernen.
Genau deshalb ist der Zustand des Kampfes gegen Antisemitismus an Schulen auch so fatal: Nur in wenigen Bundesländern existieren Meldesysteme für antisemitische Vorfälle, viele Kultusministerien sehen sich nicht hinreichend in der Verantwortung und verschieben das Problem auf außerschulische Bildung, und insbesondere die Schulbücher sind über weite Strecken defizitär.
Antisemitismus wird meist nur mit Blick auf die Schoa thematisiert. Über das Davor und das Danach erfahren Schüler nichts.
Antisemitismus gilt oft nur als thematisierenswert mit Blick auf den Nationalsozialismus und die Schoa. Über die Vorgeschichte erfahren Schüler nur selten etwas, noch weniger über die Nachgeschichte. Und damit auch nichts über die Frage, ob Antisemitismus Teil ihres persönlichen Alltags und auch ihrer Familiengeschichte ist.
ISRAELBILD Darüber hinaus ist das Israelbild extrem einseitig, zahlreiche Schulbücher argumentieren pro-palästinensisch und schüren antiisraelische Emotionen, statt dass sie Fakten präsentieren. Jüdische Religion und Kultur als selbstverständlicher Teil der deutschen und europäischen Geschichte fehlen hingegen fast vollkommen.
Die Baustellen sind groß – am meisten liegt es aber schlicht am fehlenden Willen der Kultusministerien, die leicht erkennbaren Missstände wirklich zu beheben.
Der Autor ist Gastprofessor für Antisemitismusforschung an der TU Berlin.