»Wir sehen uns gezwungen, den israelischen Minister für Diasporaangelegenheiten, Amichai Chikli, zu verurteilen.« Diesen Satz schrieben die Präsidenten mehrerer jüdischer Studierendenverbände vergangene Woche in einem offenen Brief. Gemeinsam vertreten die Organisationen die Belange von mehr als 170.000 jüdischen Studenten. Ich war eine der Unterzeichnerinnen.
schritt Warum sahen wir uns zu einem solch ungewöhnlichen Schritt gezwungen? Gleich mehrfach war Amichai Chikli in letzter Zeit ausfällig geworden. Der Minister hatte Reformjuden in der Diaspora verunglimpft. Die Pride Parade in Israel war ihm ein Dorn im Auge, die Regenbogen-Flagge nannte er gar ein »antizionistisches Symbol«. Während wir für jüdischen Pluralismus einstehen, negiert Chikli die bedeutungsvolle Entwicklung des Diasporajudentums.
Chikli verunglimpft Reformjuden in der Diaspora und nennt die Regenbogen-Flagge ein »antizionistisches Symbol«.
Vor Kurzem spielte er sogar auf der Klaviatur der antisemitischen Soros-Verschwörungsmythen, die man hierzulande eher von Querdenker-Demonstrationen kennt. Kurz darauf wütete der Minister, die Protestbewegung gegen die Justizreform in Israel sei schlimmer als BDS. Mit anderen Worten: Er hält Israelis, die sich um ihre Demokratie sorgen, für gefährlicher als Leute, die Israel das Existenzrecht absprechen. Diese Worte sind ein Schlag ins Gesicht!
Werte Viele jüdische Organisationen sehen sich gezwungen, sich zwischen der Aufrechterhaltung institutioneller Verbindungen zu Israel und der Wahrung jüdischer Werte zu entscheiden. Doch wenn wir gegen Rassismus und Fanatismus in unseren Heimatländern einstehen, müssen wir das auch tun, wenn es um Israel geht.
Amichai Chikli ist für sein Amt ungeeignet. Die primäre Aufgabe des Diaspora-Ministers ist es, zu den acht Millionen Juden außerhalb Israels, die kein Mitbestimmungsrecht haben, eine Brücke zu schlagen. Stattdessen bricht er lieber die Brücken ab und stößt die Diaspora vor den Kopf. Er versteht unsere Bedürfnisse nicht, er will unsere Meinungen nicht hören. Er kann daher auch kein Gesprächspartner für uns sein.
Die Autorin ist Präsidentin der European Union of Jewish Students.