In Karlsruhe trifft sich bald der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK), dem orthodoxe und protestantische Kirchen angehören. Im Vorfeld verteidigte ÖRK-Direktor Peter Prove die Unterstützung des anti-israelischen BDS und behauptete, die Besatzung der Gebiete sei »illegal«. Aber ein Land, das sich gegen Angriffskriege verteidigt, darf bis zu einer Friedensregelung erobertes Territorium besetzen. Ukraine, Syrien, Xinjiang – nichts beschäftigt den ÖRK mehr als Israel.
Proves politisches Statement ist noch nicht einmal das Kritikwürdigste. Seit 2009 verbreitet der ÖRK das Kairos-Palästina-Dokument, das sich auf die Anti-Apartheid-Bewegung bezieht, aber »Hochachtung« vor Terroristen und Israel als »Besatzung« formuliert. Es schockiert mich, wie nach der Schoa die alte christliche, antijüdische Überwindungstheologie aufgewärmt wird.
wahrheitsanspruch Die Kirchen haben seit jeher Schwierigkeiten mit dem jüdischen Staat. Seit Kirchenvater Justin galten der zerstörte Tempel und der gescheiterte Bar-Kochba-Aufstand als Beweise für den Wahrheitsanspruch des Christentums: Gott habe den Bund mit dem Volk Israel aufgehoben und das Heil an die christliche Kirche, das neue Volk Israel, weitergereicht.
Überfällig ist eine Selbstreflexion des ÖRK, seines Verhältnisses zu Israel und zum Judentum.
Dieser Theologie kam die Staatsgründung Israels ungelegen. Schon 1948 bedauerte der ÖRK, dass die »Schaffung des ›Staates Israel‹ dem christlichen Ringen mit dem jüdischen Problem eine neue, politische Dimension verleiht und den Antisemitismus durch politische Befürchtungen und Feindseligkeiten zu komplizieren droht«.
konsequenz Wohlgemerkt: Die Juden machen Schwierigkeiten, nicht die Antisemiten. Dagegen helfen auch nicht die vielen Dokumente, die Judenhass als Sünde wider Gott bezeichnen. Sie haben für den ÖRK keine Konsequenz.
Überfällig ist eine Selbstreflexion des ÖRK, seines Verhältnisses zu Israel und zum Judentum: Lippenbekenntnisse gegen Antisemitismus und eine stabile anti-israelische Praxis ergeben kein überzeugendes Bekenntnis.
Volker Beck ist geschäftsführender Gesellschafter des Tikvah Institut gUG, das sich mit Antisemitismusforschung und -prävention beschäftigt, und Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) e. V.