Eigentlich hatten sich die jungen jüdischen Studierenden für ihren Aktivismus etwas ganz anderes vorgenommen: Sie wollten die schönen Seiten des Judentums in den Vordergrund rücken, nicht nur über Antisemitismus, Holocaust und Erinnerungskultur sprechen. Als selbstbewusste Jüdinnen und Juden auftreten, nicht als Opfer. So haben es einige von ihnen am vergangenen Wochenende beim internationalen Schabbaton in Frankfurt am Main erzählt, der von der Jüdischen Studierendenunion Deutschland (JSUD) ausgerichtet wurde.
Doch so unterschiedlich die Situation für die jungen Jüdinnen und Juden aus Frankreich, Großbritannien, Polen oder Deutschland auch sein mag – allen ist gemeinsam: Ihre Pläne wurden durch den 7. Oktober 2023 zur Makulatur.
Für viele von ihnen geht es um nicht weniger als die Entscheidung, ob sie bleiben oder gehen.
Seit den Hamas-Massakern in Israel, dem Krieg in Gaza sowie der israelfeindlichen Mobilisierung in ihren Städten und Universitäten können sie nicht anders, als ihre gesamte Energie auf die Abwehr der Welle des Antisemitismus in Europa und der Welt zu richten. Sie befinden sich seit 13 Monaten im »Verteidigungsmodus«, wie es JSUD-Präsidentin Hanna Veiler ausdrückte.
Für viele von ihnen geht es um nicht weniger als die Entscheidung, ob sie bleiben oder gehen. Sie fragen sich: Kann ich den Antisemitismus in meinem Umfeld noch ertragen? Kann ich mir vorstellen, außerhalb Israels eine jüdische Familie zu gründen? Einige von ihnen antworten: Nein – und planen ihre Alija. Die Mehrheit bleibt vorerst.
Sie wollen in ihrem Land, an ihrer Universität weiter dafür kämpfen, dass dort Jüdinnen und Juden, die zu ihrer Verbundenheit mit Israel stehen, einen Platz haben. Sie tun dies als stolze Zionisten einerseits und im Bewusstsein der jahrhundertelangen Geschichte jüdischen Lebens in Europa andererseits. Nach über einem Jahr des Ausnahmezustands sind sie erschöpft. Doch so leicht wollen sie sich nicht unterkriegen lassen.
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