Heide Sobotka

»Judensau«: Die Diskussion ist gut

Heide Sobotka Foto: Gregor Zielke

Heide Sobotka

»Judensau«: Die Diskussion ist gut

Antisemitische Reliefs aus dem Mittelalter sind schlimm, aber wer sich mit ihnen auseinandersetzt, kann Hass besser bekämpfen

von Heide Sobotka  29.05.2019 08:34 Uhr

Die Sau an der Wittenberger Schlosskirche bleibt. Das hat das Landgericht Dessau-Roßlau entschieden. Geklagt hatte ein Mitglied der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, das sich durch die Skulptur in seiner Ehre verletzt sieht. Es liege keine von der evangelischen Gemeinde ausgehende Beleidigung vor, urteilte nun das Gericht und wies die Klage ab. Eine Berufung ist möglich.

DEMÜTIGUNG Die »Judensau«-Darstellungen sind widerlich und zutiefst demütigend für Juden. Meist auf mittelalterlichen Reliefs und Plastiken sind Juden gekennzeichnet durch Tracht, Spitzhut oder Gelben Ring. Die Reliefs zeigen sie wie Ferkel, die an den Zitzen einer Sau saugen oder verkehrt herum auf einem Schwein reiten, das Gesicht dem Anus zugewandt, aus dem Urin spritzt. Schlimmer kann man Menschen nicht verspotten.

Plötzlich werden wir gewahr,
dass es Nazi-Glocken oder »Judensau«-Darstellungen gibt?

Die vermutlich 30 noch in Deutschland existierenden »Judensau«-Darstellungen sind herabwürdigend – seit 500 Jahren. Aber sind wir wirklich erst jetzt so aufgeklärt, dass wir nun diese Symbole des Antisemitismus vernichten wollen? Plötzlich werden wir gewahr, dass es Nazi-Glocken oder »Judensau«-Darstellungen gibt?

BILDERSTURM Ein bisschen spät – oder ein bisschen übereifrig? Klar kann man Hakenkreuze und Nazisprüche abflexen, Glocken ent- und neuwidmen, läuten können sie dann eh nicht mehr. Auch Bildzeugnisse zerstören, Skulpturen zerschlagen, Reliefs abschlagen kann man. Doch die Leerstellen schreien umso lauter. Und wäre es nicht ein bloßer Bildersturm?

Die Diskussion wird weitergehen. Und das ist gut so, denn die Auseinandersetzung über antisemitische Skulpturen, über bildliche Zeitdokumente, ihren Sinn und ihre Bedeutung bringt mehr, als zu glauben, mit dem Abschlagen von mittelalterlichen Skulpturen habe man das Problem Antisemitismus erledigt. Führt die Jugendlichen hin und lasst sie selbst herausfinden, was daran verwerflich ist! Besser lässt sich Bildung nicht gestalten. Das Lutherjahr haben wir doch auch überstanden und gute Debatten geführt.

sobotka@juedische-allgemeine.de

Lasse Schauder

Wer den Begriff »Islamismus« bannen will, ist politisch unmündig

Die Berliner Jusos haben beschlossen, aus Gründen der Sprachsensibilität künftig nicht mehr von »Islamismus« sprechen zu wollen. Das ist ein fatales Signal an Betroffene extremistischer Gewalt

von Lasse Schauder  16.04.2025

Meinung

Nur scheinbar ausgewogen

Die Berichte der Öffentlich-Rechtlichen über den Nahostkonflikt, wie die von Sophie von der Tann, sind oft einseitig und befördern ein falsches Bild von Israel

von Sarah Maria Sander  16.04.2025

Eren Güvercin

Wo sind die Gelehrten, die der Fatwa gegen Israel widersprechen?

Ein ranghoher Geistlicher erklärt den Kampf gegen Israel zur Pflicht eines jeden Muslims. Kritik an diesem offenen Terroraufruf sucht man bei deutschen Islamverbänden vergeblich

von Eren Güvercin  16.04.2025

Essay

Warum ich stolz auf Israel bin

Das Land ist trotz der Massaker vom 7. Oktober 2023 nicht zusammengebrochen, sondern widerstandsfähig, hoffnungsvoll und vereint geblieben

von Alon David  15.04.2025 Aktualisiert

Joshua Schultheis

Im Krieg braucht es ein Korrektiv

Das israelische Militär will den verheerenden Angriff auf Krankenwagen in Gaza untersuchen. Es geht um viel: die Glaubwürdigkeit der Armee, Gerechtigkeit für die Toten und darum, sinnloses Leid künftig besser zu verhindern

von Joshua Schultheis  15.04.2025

Ernst-Wilhelm Gohl ist Landesbischof der evanglischen Landeskirche Württemberg

Antisemitische Anfeindungen

»Langenau ist kein Einzelfall«

Der Landesbischof von Württemberg fordert den Schutz von Pfarrern, die von »propalästinensischen« Aktivisten bedrängt werden

von Ernst-Wilhelm Gohl  14.04.2025

Meinung

Koalitionsvertrag: Wenig drin für junge Jüdinnen und Juden

Der grassierende Antisemitismus an deutschen Hochschulen findet im Papier von Union und SPD kaum Beachtung. Eine verpasste Chance, kritisiert der Präsident der Jüdischen Studierendenunion

von Ron Dekel  10.04.2025

Kommentar

Der Koalitionsvertrag ist eine große Enttäuschung

Bis auf wenige Passagen bleibt die Vereinbarung beim Kampf gegen Antisemitismus und zur Unterstützung für Israel ungenau

von Michael Thaidigsmann  10.04.2025

Ulrike Becker

Teherans Bombe: Die Zeit läuft davon

Die kommende Bundesregierung muss dringend handeln, um das iranische Atomprogramm zu stoppen. Bis Mitte Juli bietet sich dafür noch ein Zeitfenster

von Ulrike Becker  10.04.2025