Einspruch

Juden zählen nicht

Zentralratspräsident Josef Schuster Foto: imago images / epd

Es gibt in der Bundesrepublik Deutschland eine traurige Referenz für den Applaus zu Antisemitismus. Viele Jüdinnen und Juden haben sich am vergangenen Samstag angesichts der Bilder der Berlinale-Preisverleihung an den 11. Oktober 1998 erinnert – die Paulskirchenrede Martin Walsers, in der der Schriftsteller zum Erhalt des Friedenspreises des deutschen Buchhandels widerlichste Schoa-Relativierung betrieb.

Wie damals ertönten auch in Berlin nicht etwa Widerworte oder Gesten der Ablehnung, sondern es gab tosenden Applaus der vermeintlichen kulturellen und politischen Elite im Raum. Hätten wir ahnen können, dass dieses Versagen einer selbsternannten Elite immer wieder auftreten kann?

Walsers Judenfeindlichkeit, die er weit über die Paulskirchenrede offenbarte, stört sein Bild als großen Schriftsteller jedenfalls kaum. Juden zählen nicht. Und die documenta fifteen hat wie viele andere kulturpolitische Ereignisse gezeigt, dass die deutsche Kulturlandschaft ein Einfallstor für Antisemitismus und Antizionismus ist – von plumper Hetze bis zum intellektuell verschleierten Israel- und Judenhass.

Wo ist die Zivilcourage, die Politiker mit Blick auf antisemitische Vorfälle so routiniert einfordern, wenn der Stammtisch auf einmal zum Festsaal einer Preisverleihung wird? Keiner ist aufgestanden. Ist es so schwer, die Ideologie hinter den Worten zu erkennen? Stunden nachher Bekenntnisse auf Social Media zu posten hat kaum eine Bedeutung mehr oder gar Wirkung.

Claudia Roth muss sich ernsthaft fragen, ob sie überhaupt einen Einfluss auf die Kulturpolitik in diesem Land besitzt. Die Kritik an ihr ist mehr als berechtigt, aber wenn aus dem Lager der Union nun Rücktrittsforderungen laut werden, hinterlässt das einen faden Beigeschmack. In der gleichen Reihe der Staatsministerin saß der Regierende Bürgermeister Berlins.

Es muss sich etwas ändern. Wir Juden sind es leid, uns immer wieder mit Worten und Versprechungen zufrieden geben zu müssen. Wir brauchen endlich eine antisemitismuskritische Kulturförderung!

Aufgegabelt

Mazze-Sandwich-Eis

Rezepte und Leckeres

 18.04.2025

Pro & Contra

Ist ein Handyverbot der richtige Weg?

Tel Aviv verbannt Smartphones aus den Grundschulen. Eine gute Entscheidung? Zwei Meinungen zur Debatte

von Sabine Brandes, Sima Purits  18.04.2025

Literatur

Schon 100 Jahre aktuell: Tucholskys »Zentrale«

Dass jemand einen Text schreibt, der 100 Jahre später noch genauso relevant ist wie zu seiner Entstehungszeit, kommt nicht allzu oft vor

von Christoph Driessen  18.04.2025

Kulturkolumne

Als Maulwurf gegen die Rechthaberitis

Von meinen Pessach-Oster-Vorsätzen

von Maria Ossowski  18.04.2025

Meinung

Der verklärte Blick der Deutschen auf Israel

Hierzulande blenden viele Israels Vielfalt und seine Probleme gezielt aus. Das zeigt nicht zuletzt die Kontroverse um die Rede Omri Boehms in Buchenwald

von Zeev Avrahami  18.04.2025

Ausstellung

Das pralle prosaische Leben

Wie Moishe Shagal aus Ljosna bei Witebsk zur Weltmarke Marc Chagall wurde. In Düsseldorf ist das grandiose Frühwerk des Jahrhundertkünstlers zu sehen

von Eugen El  17.04.2025

Sachsenhausen

Gedenken an NS-Zeit: Nachfahren als »Brücke zur Vergangenheit«

Zum Gedenken an die Befreiung des Lagers Sachsenhausen werden noch sechs Überlebende erwartet. Was das für die Erinnerungsarbeit der Zukunft bedeutet

 17.04.2025

Bericht zur Pressefreiheit

Jüdischer Journalisten-Verband kritisiert Reporter ohne Grenzen

Die Reporter ohne Grenzen hatten einen verengten Meinungskorridor bei der Nahost-Berichterstattung in Deutschland beklagt. Daran gibt es nun scharfe Kritik

 17.04.2025

Interview

»Die ganze Bandbreite«

Programmdirektorin Lea Wohl von Haselberg über das Jüdische Filmfestival Berlin Brandenburg und israelisches Kino nach dem 7. Oktober

von Nicole Dreyfus  16.04.2025