Drei streiten um den Chefsessel, zwei trauen sich plötzlich nicht mehr, ihre Meinung zu sagen, und einer empfiehlt sich selbst als Premier, obwohl er nicht einmal sechs Prozent der Stimmen hat. Der Chef von allen sitzt am selben Tag wegen Korruption auf der Anklagebank in der Stadt, in der alles geschieht. Regierungsbildung in Israel.
Zum vierten Mal in weniger als zwei Jahren und mitten in einer Pandemie mussten die Israelis an die Urnen gehen, um anschließend von Dienern des Volkes dies serviert zu bekommen: leere Versprechen, Geschacher um Posten und Positionen, reinen Egoismus. Sollte es wieder keine regierungsfähige Koalition geben, müssten die Israelis im Sommer erneut wählen. Dann zum fünften Mal.
Schon wenige Tage nach der Stimmenauszählung ging es hauptsächlich darum, die Pfründen zu sichern.
Am Ergebnis würde auch das wahrscheinlich nichts ändern. Die jetzigen Machthaber, zutiefst zerstritten, dürften dann als Interimsregierung weitermachen. Völlig gelähmt und unfähig, Entscheidungen zu treffen. Das mag vielleicht den Politikern zugutekommen, die sich etwas länger in ihren gepolsterten Sesseln zurücklehnen können. Das Land und seine Bewohner aber wird es teuer zu stehen kommen. Besonders in einer Zeit, in der Israel eine funktionierende Regierung dringend braucht.
PATT Dabei hatten die Parteien so viel versprochen: Sie wollten das Land retten, Netanjahus »Personenkult« beenden oder in jedem Fall Neuwahlen verhindern. Alles für das Wohl des Staates. Doch schon wenige Tage nach der Auszählung war jedes Wort vergessen. Und wieder ging es hauptsächlich darum, die Pfründen zu sichern.
Dabei war das Ergebnis lange vor der Wahl klar: Pattsituation. Man hätte meinen können, dass sich die mit allen Wassern gewaschenen Profis darauf vorbereiten. Doch in Chelm macht man wohl keine Pläne. Und dabei sind wir gar nicht in dem Städtchen der jüdischen Märchen voll weiser Narren, sondern mitten in Jerusalem mit seinen gewieften Politikern. Dies ist die Wirklichkeit auf dem politischen Parkett Israels. Und die lässt niemanden mehr weise aussehen.
redaktion@juedische-allgemeine.de