Maria Ossowski

»Intrige« bitte ohne Schwarz-Weiß

Maria Ossowski Foto: privat

Maria Ossowski

»Intrige« bitte ohne Schwarz-Weiß

Große Kunst ist ambivalent – das gilt auch für Roman Polanskis Film

von Maria Ossowski  20.02.2020 07:02 Uhr

Roman Polanski ist ein alter, von persönlichen Tragödien gezeichneter Mann, der einst in Auschwitz seine schwangere Mutter und bei einem Gemetzel in den USA seine schwangere Frau verloren hat. Als Regisseur müsste er eigentlich zu den Legenden der Branche gehören.

Aber da Polanski vor mehr als 40 Jahren ein Mädchen und eine Frau vergewaltigt haben soll, ist er ein Ausgestoßener nicht nur in Hollywood. Intrige, sein Film über die Affäre Dreyfus, hatte die Preisakademie in Paris für viele Césars nominiert. Es erhob sich ein Proteststurm, das Präsidium ist geschlossen zurückgetreten.

Keine Frage: Polanskis antiquiertes Frauenbild provoziert, und Genialität darf nie über dem Gesetz stehen. Die Zeiten der übergriffigen Kerle sind definitiv vorbei. Nur hüten wir uns vor selbstgerechten Moralisten, die alle Kunst unter dem Vorzeichen erotisch korrekter Gesinnung beurteilen.

Die Zeiten der übergriffigen Kerle sind definitiv vorbei. Nur hüten wir uns vor selbstgerechten Moralisten.

Was wird dann aus Charlie Chaplin und seinen Meisterwerken? Sie müssten aus Retrospektiven und Mediatheken verschwinden. Chaplin liebte viel zu junge Mädchen. Alfred Hitchcocks Vögel, Fenster zum Hof und so weiter – jeder Film des Suspense-Meisters wäre mit einem Bann zu belegen. Grace Kelly und Tippi Hedren berichteten von Übergriffen des Regisseurs, der davon träumte, eine kühle Blondine möge ihm im Taxi die Hose öffnen.

WIDERSTREIT In den Museen müssten wir alle Caravaggios und Gauguins abhängen. Michelangelo wäre pfui, ebenso die Literatur Petrarcas, Shakespeares (Julia war keine 18!) und des »ollen« Goethe, als er die Marienbader Elegie schrieb. Soll überall der moralische Affekt siegen?

Künstler befinden sich gern im Widerstreit mit der gängigen Moral. Dieser Konflikt war und ist oft Quelle ihrer Kunst. Das soll kein Verbrechen rechtfertigen oder entschuldigen. Aber lasst uns bitte die Werke, die alten und die neuen!

Große Kunst ist ambivalent und das Gegenteil hysterischer Schwarz-Weiß-Malerei. Deshalb soll Intrige als das geehrt werden, was es ist: ein cineastisches Meisterwerk.

Die Autorin ist ARD-Kulturkorrespondentin.

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