Fast zwei Jahre habe ich mich auf rechten und rechtsextremen Veranstaltungen aufgehalten. Als Journalist, mal undercover, öfter aber offiziell. Ich war dabei, als im Fraktionssaal der AfD der Islam verboten werden sollte, auf Demos wurde mir mit dem Galgen gedroht, auf rechten Festivals gleich mit dem Gas. »Wie früher«, wurde mir entgegengespeichelt. Anfänglich war ich entsetzt, am Ende war es mir egal.
Als Christian Lüth, Ex-Sprecher der Bundestagsfraktion der AfD, vom Erschießen der Flüchtlinge fantasierte, vom Zustand Deutschlands sprach, hatte ich mich so sehr an die Sprache der AfD gewöhnt, dass ich es nicht mehr als schockierend empfunden habe.
konsens »So reden die eben« oder »Die sind Idioten« – das ist der Konsens, wenn außerhalb der »Echokammer Rechts« über die AfD gesprochen wird. Wenn über ihre menschenverachtenden, demokratiefeindlichen Äußerungen debattiert wird.
Gut nachverfolgen lässt sich das an den kürzlich veröffentlichten WhatsApp-Leaks der AfD. 40.000 Nachrichten, seit 2017. LGBTQ+-feindlich, antisemitisch, frauenfeindlich, ausländerfeindlich, demokratiefeindlich, ach, einfach menschenfeindlich, so liest sich die Erkenntnis aus diesen Nachrichten.
Nach unzähligen öffentlich gewordenen Verfehlungen zeigt sich eine dramatische Ermüdungserscheinung in unserer Mitte.
Ist es überraschend? Nein. So sind die einfach. War es eine Katastrophe für die AfD, dass diese Nachrichten aus dem Zentrum der kalkulierten Provokation veröffentlicht wurden? Nein. Es war ein Gewinn für diese Partei. Und das ist das Problem. Der Umgang mit diesen Nachrichten, der Umgang mit der Sprache der AfD zeigt: Rechts hat gewonnen. Rechts hat seinen Platz in der Gesellschaft gefunden.
Deutschland hat sich abgefunden. Das große Ziel dieser Partei war es, neben politischem Einfluss, die Sprache, das Sagbare zu verschieben. Es ist ihr geglückt. Wo ist der Shitstorm, wo die Sanktionen? Wo das Entgegenstellen? Nach unzähligen öffentlich gewordenen Verfehlungen zeigt sich eine dramatische Ermüdungserscheinung in unserer Mitte. Eine Ermüdung, die zu einem Bruch der Demokratie führen kann.
Der Autor ist TV-Reporter und mit Dokumentationen über Rechtsradikalismus bekannt geworden.