Israel habe »wieder« den Libanon angegriffen, berichtete die »Tagesschau« neulich. Zuvor hatten in der nordisraelischen Stadt Metulla erstmals seit Wochen wieder die Sirenen geheult. Grund war der massive Beschuss aus dem Libanon gewesen.
Im ARD-Bericht hieß es dann aber nur, Israel gefährde mit seinen Angriffen die Waffenruhe. Diese sei nach »monatelangen Kämpfen zwischen der Hisbollah-Miliz und Israel« im Oktober 2023 in Kraft getreten und zuvor mehrfach von beiden Seiten verletzt worden, so die »Tagesschau«.
Nicht nur wird mit dieser Wortwahl Israel gleichgesetzt mit einer auch von Deutschland als Terrororganisation eingestuften Miliz. Es wird auch so getan, als seien beide Seiten gleichermaßen für den Konflikt verantwortlich. Doch in Wahrheit war der Beschuss auf den Norden Israels nicht das Ergebnis eines eskalierten »gegenseitigen Konflikts«. Grund waren vielmehr die monatelangen Angriffe durch die Hisbollah, die das Leben von Zivilisten auf beiden Seiten der israelisch-libanesischen Grenze gefährdeten und ein Leben dort fast unmöglich machten.
Die Bewohner der nördlichen Kibbuzim direkt an der Grenze zum Libanon erzählten mir mehrfach von ihrer Angst vor einem Überfall. Unmittelbar nach dem 7. Oktober 2023 rechneten sie damit, dass sich die Hisbollah der Hamas anschließen würde, um von Norden her anzugreifen.
Es wäre eine Tragödie unvorstellbaren Ausmaßes gewesen, da die Kibbuzim zu diesem Zeitpunkt vollkommen schutzlos waren. Familien flüchteten in Panik, nahmen alles mit, was sie schnell in Taschen packen konnten und verließen ihre Häuser. Diese sollten sie für viele Monate nicht wiedersehen. Manche suchten Zuflucht bei Verwandten im Landesinneren, andere wurden nach der Evakuierungsanordnung des Staates in Notunterkünfte und Hotels gebracht, welche zu Flüchtlingslagern wurden.
Der Terror der Hisbollah war vollkommen willkürlich. Er richtete sich gegen zivile Einrichtungen und hinterließ eine Spur der Zerstörung. Über die wurde in den deutschen Medien jedoch kaum berichtet. Statt den Terror klar zu benennen, wurde er häufig als »gegenseitiger Beschuss« dargestellt, ganz so, als gäbe es eine Gleichrangigkeit zwischen dem Staat Israel und einer Terrororganisation.
Ich habe eine einfache Frage an die Journalisten der führenden deutschen Nachrichtensender: Wo wart ihr in all diesen Monaten? Ihr wart die meiste Zeit woanders, weiter im Süden. Ihr wart nicht da, um über die Katastrophe im Norden Israels angemessen zu berichten. Ich weiß, wovon ich spreche. Ich war von Juni bis November 2024 in den evakuierten Zonen des Nordens, gemeinsam mit meinem Kollegen Alon David, der selbst aus dem Kibbuz Dan kommt und weiß, was es bedeutet, mit Terroristen in der Nachbarschaft zu leben.
Wir riskierten unser Leben, um zu dokumentieren, was in der Region wirklich passierte, während ihr es versäumtet. Wir berichteten aus dem Kriegsgebiet ohne Absicherungen, ohne die Ressourcen eines großen Senders wie der ARD. Wir taten es freiwillig, weil uns das Schweigen über die Geschehnisse dort unerträglich war.
Die Journalisten der Tagesschau und anderer deutscher Medien haben die nötigen Ressourcen und die Reichweite, um vor Ort zu berichten. Doch anstatt in den Norden Israels zu kommen, zogen sie es die meiste Zeit vor, in Tel Aviv zu sitzen und dem jüdischen Staat alle möglichen Kriegsverbrechen vorzuwerfen.
Im Oktober 2024, während zeitgleich im Kibbuz Dan die Hisbollah-Raketen einschlugen, warnte Außenministerin Annalena Baerbock kurz nach ihrem Besuch im Libanon vor einer völligen Destabilisierung der Region. Sie appellierte an Israel, die Waffen ruhen zu lassen. Im selben Monat kommentierte die »Tagesschau«, dass auch Hilfsorganisationen eine solche Waffenruhe für den Libanon fordern würden.
Anfang November berichtete man dann ausführlich über die israelischen Angriffe in Beirut und die vielen Toten und Zerstörungen, die sie verursachten. Wieder wurde kaum erwähnt, dass diese Angriffe den Kämpfern der Terrorgruppe Hisbollah galten.
Diese Einseitigkeit, dieses Framing der Geschehnisse, diese Wortwahl und auch das Weglassen von Kontext führten dazu, dass ein Großteil der deutschen Gesellschaft nach wie vor keine Ahnung hatte, was in Israel passiert. Israel wird als Aggressor wahrgenommen in einem Krieg, der von Terrororganisationen begonnen wurde.
Das ist kein guter Journalismus. Das ist kalkulierte Einseitigkeit. Israel wird dämonisiert und dafür tragen auch deutsche Medienschaffende Verantwortung. Der zunehmende Hass auf Israel und der damit einhergehende Antisemitismus kommt nicht aus dem Nichts.
Ich finde, es reicht! Durch die verzerrte Darstellung der Ereignisse im Nahen Osten wird die Öffentlichkeit in die Irre geführt. Das hat Konsequenzen. Journalismus erfordert mehr als bloße Neutralität. Er verlangt zuallererst eine klare Haltung. Er verlangt Verantwortungssinn, der auch die Auswirkungen der eigenen Berichterstattung berücksichtigt.
Es ist an der Zeit, dass die Israel-Berichterstattung deutscher Medien endlich differenzierter wird und dass nicht Terroristen die Deutungshoheit haben, sondern ihre Opfer.
Die Autorin ist als freie Journalistin in Deutschland und Israel tätig.