Kommentar

Hoffen wir, dass Donald Trump einen Plan hat

Nils Kottmann Foto: Marco Limberg

Die Idee klingt wie eine von Donald Trumps üblichen Verhandlungstaktiken: Mit Wumms auf die Pauke hauen, damit sich das Gegenüber vor lauter Schreck zumindest etwas bewegt. Der US-Präsident will die Bewohner des Gazastreifens dauerhaft in Länder wie Jordanien und Ägypten umsiedeln, das Gebiet unter amerikanischer Vorherrschaft wieder aufbauen und zu einer »Riviera des Nahen Ostens« machen.

Der Plan ist nicht neu. »Wir säubern einfach das ganze Ding«, hatte Trump schon vor mehr als einer Woche gesagt. Gaza sei nach 15 Monaten Krieg zu einer einzigen »Abrissbrache« geworden. Die Palästinenser sollten seiner Ansicht nach lieber andernorts in Frieden leben als in den Trümmern zu sterben.

Auf den ersten Blick hatte der Vorschlag etwas für sich. Für die Menschen im größtenteils zerstörten Gazastreifen wäre es selbstverständlich besser gewesen, wenn sie vor dem Krieg gegen die Hamas in sichere Nachbarländer hätten fliehen können und sich nicht von Terroristen als Schutzschilde hätten missbrauchen lassen müssen.

Seit Beginn der Bodenoffensive hat Ägypten nur rund 100.000 der 2,3 Millionen Einwohner des Gazastreifens aufgenommen. Die Flüchtlinge dürfen dort aber weder Geld verdienen, noch haben sie Anspruch auf Hilfen der UN. In Jordanien, wo schon seit Jahrzehnten mehr als 2,4 Millionen Palästinenser leben, weigert sich die Regierung beharrlich, überhaupt Flüchtlinge aus dem Gazastreifen aufzunehmen. Dass Trump nun Druck macht und Jordaniens König Abdullah zum Gespräch geladen hat, erscheint auf den ersten Blick lobenswert. So zumindest die wohlwollende Interpretation.

Doch nachdem Trump erklärt hat, dass die Umsiedlung von Dauer sein soll und er im Zweifel auch amerikanische Soldaten stationieren würde, ist klar: Das Vorhaben würde auf eine ethnische Säuberung im Gazastreifen hinauslaufen. Denn wohl kaum ein Palästinenser würde freiwillig seine Heimat verlassen, wenn er keine Rückkehr-Garantie hat.

Donald Trumps Gaza-Plan ist offensichtlich unrealistisch. Israel würde damit seine Beziehungen zu Ägypten und Jordanien ruinieren und die angestrebte Normalisierung mit Saudi-Arabien gefährden, das weiter auf einem Palästinenserstaat als Voraussetzung dafür beharrt.

Die Frage ist also: Was will Donald Trump mit seinem Plan bezwecken?

Lesen Sie auch

Dieselbe Frage musste man sich bereits nur wenige Stunden vor der Pressekonferenz mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu stellen, als der US-Präsident ungeniert mit hypothetischen Annexionsplänen für das Westjordanland sympathisiert hatte. »Ich werde darüber nicht reden, es ist sicher ein kleines Land«, sagte Trump im Weißen Haus auf die Frage von Reportern, ob er es unterstützen würde, wenn Israel sich Teile des Westjordanlands einverleiben würde.

Dann nahm der Präsident seinen Kugelschreiber und hielt ihn gegen den Schreibtisch: »Sehen Sie diesen Stift? Mein Schreibtisch ist der Nahe Osten und die Spitze des Stifts ist Israel. Das ist nicht gut, stimmts? Das ist ein ziemlich großer Unterschied.« Heißt: Er hätte grundsätzlich nichts dagegen, wenn Israel sich vergrößern würde.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Es ist unklar, ob Trump mit seiner Aussage eine Strategie verfolgt oder eher aus einem Bauchgefühl heraus gesprochen hat und einfach nur Israels politische Rechte bestärken wollte. Während seiner ersten Amtszeit hatte er mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu schon einmal Annexionspläne für das Westjordanland als Verhandlungsmasse benutzt. Diese dienten damals dazu, die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain dazu zu bringen, die Abraham-Abkommen mit Israel zu unterzeichnen. Im Gegenzug wurden die Pläne fallen gelassen.

Es bleibt zu hoffen, dass der US-Präsident auch dieses Mal einen Plan hat.

kottmann@juedische-allgemeine.de

Ernst-Wilhelm Gohl ist Landesbischof der evanglischen Landeskirche Württemberg

Antisemitische Anfeindungen

»Langenau ist kein Einzelfall«

Der Landesbischof von Württemberg fordert den Schutz von Pfarrern, die von »propalästinensischen« Aktivisten bedrängt werden

von Ernst-Wilhelm Gohl  14.04.2025

Meinung

Koalitionsvertrag: Wenig drin für junge Jüdinnen und Juden

Der grassierende Antisemitismus an deutschen Hochschulen findet im Papier von Union und SPD kaum Beachtung. Eine verpasste Chance, kritisiert der Präsident der Jüdischen Studierendenunion

von Ron Dekel  10.04.2025

Kommentar

Der Koalitionsvertrag ist eine große Enttäuschung

Bis auf wenige Passagen bleibt die Vereinbarung beim Kampf gegen Antisemitismus und zur Unterstützung für Israel ungenau

von Michael Thaidigsmann  10.04.2025

Ulrike Becker

Teherans Bombe: Die Zeit läuft davon

Die kommende Bundesregierung muss dringend handeln, um das iranische Atomprogramm zu stoppen. Bis Mitte Juli bietet sich dafür noch ein Zeitfenster

von Ulrike Becker  10.04.2025

Standpunkt

Tel Aviv und Berlin: Schwestern im Geiste

Die deutsche Hauptstadt und die israelische Mittelmeermetropole sind nun endlich Partnerstädte. Das war längst überfällig

von Katharina Höftmann Ciobotaru  10.04.2025

Kommentar

Was der Gewalttat vorausging

Unsere Autorin hat den ersten Prozesstag gegen den Angreifer von Lahav Shapira im Gericht verfolgt. Sie ist überzeugt, dass Judenhass bei der Tat eine entscheidende Rolle spielte

von Mascha Malburg  09.04.2025

Meinung

Fehl am Platz

Omri Boehm hätte gar nicht erst als Redner zum Jahrestag der Befreiung des KZ Buchenwald eingeladen werden dürfen. Was hat den Gedenkstättenleiter bloß dazu motiviert?

von Susanne Stephan  07.04.2025

Protest

Mehr Mut zum Streit!

Nirgendwo wird so leidenschaftlich um den Kurs der Regierung und um die Demokratie gerungen wie in Israel. Von dieser Haltung kann die Diaspora viel lernen. Ein Kommentar von Esther Schapira

von Esther Schapira  06.04.2025

Kommentar

Hamas plante schon 2021 den »Tag danach«

Die Hamas und ihr Traum von der Einstaatenlösung ist lange vor dem 7. Oktober entstanden. Der Westen schwieg und Netanjahu schwieg, ein Fehler mit unerträglichen Konsequenzen

von Nicole Dreyfus  04.04.2025