Die Idee klang wie eine von Donald Trumps üblichen Verhandlungstaktiken: Mit Wumms auf die Pauke hauen, damit sich das Gegenüber vor lauter Schreck zumindest etwas bewegt. Vor rund einer Woche hatte der US-Präsident vorgeschlagen, anderthalb Millionen Palästinenser aus dem Gazastreifen nach Ägypten und Jordanien umzusiedeln.
»Wir säubern einfach das ganze Ding«, sagte Trump über den Küstenstreifen. Gaza sei nach 15 Monaten Krieg zu einer einzigen »Abrissbrache« geworden. Die Palästinenser sollten seiner Ansicht nach lieber andernorts in Frieden leben als in den Trümmern zu sterben.
Auf den ersten Blick hat der Vorschlag etwas für sich. Für die Menschen im größtenteils zerstörten Gazastreifen wäre es selbstverständlich besser, wenn sie vor dem Krieg gegen die Hamas in sichere Nachbarländer fliehen könnten und sich nicht von Terroristen als Schutzschilde missbrauchen lassen müssten.
Seit Beginn der Bodenoffensive hat Ägypten nur rund 100.000 Menschen aus Gaza aufgenommen; ingesamt 2,3 Millionen lebten bei Kriegsbeginn dort. Die Flüchtlinge dürfen dort aber weder Geld verdienen, noch haben sie Anspruch auf Hilfen der UN. In Jordanien, wo schon seit Jahrzehnten mehr als 2,4 Millionen Palästinenser leben, weigert sich die Regierung beharrlich, überhaupt Flüchtlinge aus dem Gazastreifen aufzunehmen. Dass Trump nun Druck macht und Jordaniens König Abdullah zum Gespräch geladen hat, erscheint auf den ersten Blick lobenswert.
So zumindest die wohlwollende Interpretation. Nachdem Israels rechtsextremer Finanzminister Bezalel Smotrich den Vorschlag bejubelte - wohl auch, weil er dann seinen Plan von einer Wiederbesiedlung des Gazastreifens leichter umsetzen könnte - war aber zu erahnen, dass Trump nicht unbedingt das Wohlergehen der palästinensischen Zivilisten im Sinn hat.
Wenn der US-Präsident von »Säubern« spricht, klingt das ebenfalls nicht wie ein Marshall-Plan für Gaza. Es klingt eher nach ethnischen Säuberungen. Vor allem, weil Trump offenließ, ob die Umsiedlung eine vorübergehende oder eine dauerhafte Lösung sein soll.
Am Dienstag legte er nach und sympathisierte ungeniert mit den Annexionsplänen einiger Israelis für das Westjordanland. »Ich werde darüber nicht reden, es ist sicher ein kleines Land«, sagte Trump im Weißen Haus auf die Frage von Reportern, ob er es unterstützen würde, wenn Israel sich Teile des Westjordanlands einverleiben würde.
Dann nahm der Präsident seinen Kugelschreiber und hielt ihn gegen den Schreibtisch: »Sehen Sie diesen Stift? Mein Schreibtisch ist der Nahe Osten und die Spitze des Stifts ist Israel. Das ist nicht gut, stimmts? Das ist ein ziemlich großer Unterschied.« Heißt: Er hätte grundsätzlich nichts dagegen, wenn Israel sich vergrößern würde.
Es ist unklar, ob Trump mit seiner Aussage eine Strategie verfolgt oder eher aus einem Bauchgefühl heraus gesprochen hat und einfach nur Israels politische Rechte bestärken wollte. Während seiner ersten Amtszeit hatte er mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu schon einmal Annexionspläne für das Westjordanland als Verhandlungsmasse benutzt. Diese dienten damals dazu, die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain dazu zu bringen, die Abraham-Abkommen mit Israel zu unterzeichnen. Im Gegenzug wurden die Pläne fallen gelassen.
Es bleibt zu hoffen, dass der US-Präsident auch dieses Mal einen Plan hat. Das wäre zumindest die wohlwollende Interpretation.
kottmann@juedische-allgemeine.de