Nein, nein, sie hat nicht »Autobahnen« gesagt. Hätte sie es getan, wäre es aber auch nicht weiter aufgefallen. Die Nebelkerzen, die Alice Weidel in ihrem Live-Podcast mit Elon Musk am Donnerstagabend zündete, waren in Wahrheit intellektuelle Stinkbomben.
Besonders deutlich wurde das, als Weidel auf die Nazi-Zeit und auf Adolf Hitler zu sprechen kam. Ein »antisemitischer Sozialist«, ein Linker, ein Kommunist sei der Diktator gewesen, behauptete die AfD-Chefin. Zur Begründung führte sie an, die Nationalsozialisten hätten ja den Sozialismus im Namen getragen und seien für die Verstaatlichung der Industrie eingetreten.
Für Hitlers Rassenwahn, für seinen abgrundtiefen Judenhass, hatte die Ökonomin Weidel eine simple Begründung: Hitler habe schließlich »die gesamte Industrie verstaatlichen« wollen; daran könne man seine sozialistische Einstellung erkennen. Die AfD habe inhaltlich das genaue Gegenteil vor, so Weidel: »Wir sind eine libertäre, konservative Partei.«
Es war nicht der einzige Moment im Interview, der zum Fremdschämen war. Aber es war wohl die Aussage, an die man sich auch noch in einigen Jahren erinnern dürfte. Mit anderen Worten: Es war der »Vogelschiss«-Moment der Alice Weidel. Alexander Gauland, ihr Vorgänger im Parteivorsitz und einstiger Kollege im Fraktionsvorsitz, hatte den Begriff 2018 verwendet, um die Herrschaft der Nazis im Kontext der deutschen Geschichte zu bagatellisieren. Jetzt legte Weidel rhetorisch noch eine Schippe drauf und deutete Adolf Hitler kurzerhand zum Linken um.
Im anschließenden Interview bei RTL stellte die Kanzlerkandidatin der AfD klar, dass das ernstgemeint war. »Ich bin Ökonomin, und für uns ist völlig klar, dass Adolf Hitler ein Linker war.« Weidel ging sogar noch weiter. Hitler habe damals »die gleichen Methoden« angewendet wie die Linke heute.
Ein infamer Vergleich. Dass ausgerechnet Hitler, der erst durch Spenden und politische Unterstützung zahlreicher deutscher Großindustrieller an die Macht kam und in seiner zwölfjährigen Regierungszeit die Produktionsmittel nicht verstaatlichte, ein Sozialist gewesen sein soll, ist seit Jahrzehnten widerlegt. Dass er linke Ideen für seine Zwecke nutzte, ist da kein Widerspruch.
Nein, Hitler war ein Rechtsextremist, wie er im Buche steht. Alice Weidel weiß das natürlich, sie ist ja nicht blöd. Aber zur Reinwaschung ihrer in Teilen ebenfalls rechtsextremen Partei ist ihr offenbar jedes Mittel recht.
Auch antisemitische Denkmuster sind ihr nicht fremd. So stellte sie in ihrem Talk mit Elon Musk auch noch die Behauptung auf, Juden seien in der damaligen Zeit »wohlhabende Menschen« gewesen. »Jüdische Menschen waren hochgebildet, sehr kultiviert. Und sie waren erfolgreich.« Hitler habe den Neid in der Bevölkerung auf Juden nur ausschlachten müssen. Eine »sozialistische Maßnahme« sei der Antisemitismus der Nazis gewesen.
Wer so einen Stuss erzählt, hätte noch vor einigen Jahren in der deutschen Politik einen schweren Stand gehabt. Alexander Gauland musste für seine »Vogelschiss«-Rhetorik harte Kritik einstecken. Statt Rücktrittsforderungen bekam Weidel dagegen Rückendeckung für ihre abstrusen Thesen – und das von keinem geringeren als Elon Musk.
Auch der Tech-Unternehmer sieht sich offenbar als Steigbügelhalter und hat ein Herz für geistige Dünnbrettbohrer am äußersten rechten Rand des politischen Spektrums. Alice Weidel ist einer davon. Sie hält sich selbst für die Klügste, redet gerne abschätzig über ihre politischen Konkurrenten und spricht dem grünen Wirtschaftsminister die fachliche Kompetenz ab.
Sogar zur »einzigen Beschützerin der Juden« in Deutschland hat Alice Weidel sich und ihre Partei stilisiert. Auch das ist infam.
Die Wahrheit wird bei ihr im Nullkommanichts zur Lüge. Am Donnerstag hat die AfD-Chefin das eindrucksvoll unter Beweis gestellt.