In einem Interview mit der Nachrichtenseite t-online Anfang Juni bezüglich der Kriegsverbrechen der Wehrmacht im besetzten Griechenland behauptete der deutsche Historiker Hans A. Richter, der damalige dortige Militärverwaltungsrat, der Jurist Max Merten, sei zu einem »Kriegsverbrecher allerersten Ranges stilisiert« worden. Richters Versuch, Merten zu entlasten, ist Teil der Verfälschung und des Revisionismus der Geschichte des Holocaust. Leider geschieht dies unter wissenschaftlichem Deckmantel.
Mit ihrem Urteil vom 5. März 1959 entschied die griechische Justiz, dass Max Merten schuldig war für Verbrechen, die er während der deutschen Besatzung Griechenlands begangen hatte. Die Aussagen der Belastungszeugen, unter ihnen auch jüdische Griechen, waren ausschlaggebend für den Ausgang des Prozesses und die Verurteilung Mertens.
Hans A. Richters Versuch, den »Schlächter von Thessaloniki« Max Merten reinzuwaschen, ist empörend und besorgniserregend.
Zweifellos, die demokratisch verankerte Freiheit der Meinungsäußerung und der Wert der historischen Forschung sind ein hohes Gut. Gerade deshalb ist Richters Versuch, Max Merten reinzuwaschen, empörend und besorgniserregend. Denn Daten, Fakten und Quellen halten namhafte Wissenschaftler wie der Historiker Hagen Fleischer und der Rechtsanwalt Gerrit Hamann Richters Relativierung entgegen – deren Forschungsergebnisse Richter als »sogenannt« herunterspielt. 67.000 jüdische Griechen verloren ihr Leben während der Schoa.
VERZERRUNG Merten war der »absolute Herrscher« von Thessaloniki, der Stadt mit der größten jüdischen Gemeinde Griechenlands. Zusammen mit Alois Brunner, Leiter des SS-Sonderkommandos zur »Endlösung der Judenfrage«, und Dieter Wisliceny, »Beauftragter für jüdische Angelegenheiten« für die Slowakei, Ungarn und Griechenland, hatte er es geschafft, Thessaloniki innerhalb nur weniger Monate »judenrein« zu machen: 45.000 Juden Thessalonikis wurden mit Gewalt verschleppt und in den Nazi-Todeslagern umgebracht.
Die Verzerrung der historischen Wahrheit ist hochgefährlich. Sie belohnt die Bemühungen all derjenigen, die die »Endlösung« geplant, umgesetzt und unterstützt haben. Wenn wir eine Gesellschaft aufbauen wollen, die es nicht zulässt, dass der Holocaust noch einmal passiert oder der Fanatismus und die Ideologie, die zu ihm geführt haben, sich wieder durchsetzen, dann müssen wir vehement auf jede Stimme reagieren, die den Nazismus lobt oder versucht, seine Verbrechen herunterzuspielen. Auch auf die von Hans A. Richter.
Der Autor ist Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Griechenland.