Hessen ist ein Zentrum des Rechtsextremismus. Spätestens nach dem Mord an Walter Lübcke und dem rassistischen Attentat von Hanau kann daran niemand zweifeln.
In Frankfurt verschickte der »NSU 2.0« mit Daten von Polizeicomputern Drohungen an die Anwältin Seda Basay-Yildiz, in Wächtersbach schoss ein Mann aus rassistischen Motiven auf einen Eritreer, in Kassel wurde Halit Yozgat vom NSU ermordet.
Attentate Nazi-Schmierereien an Restaurants jüdischer Inhaber oder antisemitische Beschimpfungen in der S-Bahn sind von einer traurigen Regelmäßigkeit. Wer beruflich in diesem Themenfeld arbeitet, denkt nach jedem Attentat, jedem Angriff aufs Neue: Nun muss die Politik doch aufwachen! Nur um jedes Mal wieder festzustellen: Nein, es hat mal wieder nicht gereicht.
Nach den ersten Solidaritätsbekundungen folgt meist: wenig bis gar nichts. Dies festzustellen, ist weder resigniert noch zynisch. Es beschreibt lediglich unsere Erfahrungen. Dennoch macht es sprachlos, dass wir mit dem hessischen Innenministerium über »Soforthilfen« streiten müssen, die uns der Bund nach dem 19. Februar zugesichert hatte.
Sachmittel Das Land weigert sich nun, diese Mittel für die Bezahlung unserer Beraterinnen und Berater freizugeben. Ohne Not wurde eine »Zweckbindung für Sachmittel« an die Verwendung gekoppelt.
Mehr als vier Monate nach dem schlimmsten Terroranschlag der Landesgeschichte warten wir noch immer auf das Geld. Mein Team ist seit dem Attentat ununterbrochen in Hanau. Wir sind müde und erschöpft. Wir wissen ehrlich gesagt nicht, was wir mit »Sachmitteln« anfangen sollen. Die Angehörigen brauchen keine Spiralblöcke. Sie brauchen menschliche Ansprache und qualifizierte Beraterinnen und Berater.
»Dass wir alles tun, alles was wir können«, hatte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier nach der Tat versprochen; den Opfern »beizustehen, sie zu unterstützen und ihnen unbürokratisch zu helfen«, der Fraktionschef der hessischen Grünen. Von einer Zweckbindung war damals keine Rede.
Die Autorin ist Kulturanthropologin an der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt.